Курт Тухольский (1890 – 1935) – талантливый немецкий сатирик ХХ века, будет интересен русскому читателю как человек, сочетающий в себе немецкую строгость и серьезность с русской душевностью, глубиной понимания другого человека. Его рассказы учат людей смеяться. Автор видит в смехе начало, сближающее людей. Если люди объединены смехом, они могут избежать вещей, заставляющих плакать.
Произведения подверглись незначительному упрощению, что позволило сохранить как сюжетную линию, так и живой немецкий язык.
Предназначается для изучающих немецкий язык (уровень 3 – для продолжающих средней ступени).
© Нестерова Е. А., адаптация текста, комментарии, словарь
© ООО «Издательство АСТ»
Предисловие
Мы учим языки для того, чтобы понимать людей других наций.
Юмор же – одна из самых глубоких черт культуры: то, что греет и радует, заставляет человека улыбаться, должно затрагивать самое его сердце и душу.
Немцев обычно воспринимают как рационалистов и прагматиков. Фауст, считающийся воплощением национальной души Германии, был хорош, кажется, во всем, кроме смеха. Действительно, даже представить себе смеющегося от души немца (если это не баварец) достаточно сложно.
Отчасти это обусловлено историей Германии в последние два столетия. Немцы – сознательная нация. Они не используют смех как способ отгородиться от собственной истории и собственных ошибок. Немец серьезно относится к тому, что имеет, в том числе и к наследию своего прошлого. Поэтому юмор у авторов XX века если и появляется, то носит максимально общий, философский характер. Авторы стремятся использовать его так, чтобы не задевать других, что сделать весьма не просто, ведь смех всегда – смех над кем-то. Курт Тухольский (1890, Берлин – 1935, Гётеборг, Швеция) же наоборот видит в смехе начало, сближающее людей. Поэтому он хочет «научить» своих читателей – прежде всего, конечно, немцев – смеяться: если люди объединены смехом, они смогут избежать деяний, заставляющих плакать. Так можно расшифровать название книги.
Курт Тухольский будет интересен русскому читателю, как человек, сочетающий в себе немецкую строгость и серьезность с русской душевностью, глубиной понимания
В Германии Тухольский считается непревзойденным мастером юмора. Русскому читателю придется внимательно вчитываться в зачастую абсурдные, но еще чаще исторически жуткие зарисовки Германии 30-х годов, чтобы нащупать пульс этого юмора: временами обвиняющего, временами очарованно, восхищенно радующегося чему-то или кому-то, но никогда не осуждающего – осуждать можно других, а автор не отделяет себя от того мира, в котором живет.
Der berühmteste Mann der Welt
All der Unsinn, den Mister Chaplin macht, kommt nicht aus dem vergeblichen Versuch, klug zu sein, sondern aus den misslingenden Versuchen, so zu sein, wie andere Leute auch.
Kein Parlamentarier ist der berühmteste Mann der Welt und kein Politiker, weder Wilson noch Poincaré – kein Erfinder ist es, kein Tenor, kein Flugzeugführer. Der berühmteste Mensch ist zweifellos Herr Charlie Chaplin, über den alle einmal gelacht haben: die Pariser und die Londoner, alle Amerikaner und die australischen Matrosen, die Besucher der chinesischen Kinos und neuerdings auch die Deutschen, der alte Kontinent und der neue – und dass der Mars noch nicht über ihn gelacht hat, liegt nur an der mangelhaften Verbindung zu diesem kinolosen Möbel.
Mister Chaplin ist so:
Die Gegend betritt ein kleinerer Mann mit einem kleinen schwarzen Hütchen, einem Stöckchen, einem Schnurrbärtchen. Er geht, wie noch nie ein Mensch auf dieser Welt gegangen ist: er watschelt rasch und eilfertig auf zwei Füßen, deren Spitzen ganz nach auswärts gedreht sind. Er hat schwarze, fast traurige Augen, und er sieht bekümmert in die Welt, weil es nun doch gleich einen Kummer geben wird. Richtig, da ist er.
Der Kummer ist ein dicker Mann, ein roher Bursche von ungeheurem Format, mit dem Herr Chaplin sofort aneinandergerät. Weshalb, ist nicht ganz klar. Diese Filme sind überhaupt nicht ganz klar. Aber es kommt ja nicht auf[1] ihre Handlungslosigkeit an und auf das Gewirr von Prügeln, Feuerwehrschläuchen, jungen Mädchen, auslaufenden Milchflaschen und herunterfallenden Gipsbüsten. Es kommt auf ihn an, auf Mister Chaplin.
Aus den acht oder zehn Films, die bis jetzt nach Deutschland gekommen sind, bleibt eine Fülle von Einzelheiten haften, deren jede vollendet gespielt ist.
Mister Chaplin lädt dreizehn Stühle auf seinen Rücken, sieht aus wie ein Morgensternsches Stuhlschwein und starrt vor lauter Stuhlbeinstacheln: Mister Chaplin ist aus dem Gefängnis entflohen, wo die amerikanischen Sträflinge bekanntlich gestreifte Kleidung zu tragen haben, und erwacht morgens im Bett: verwundert und deprimiert gleiten seine schwarzen, klugen Augen über den gestreiften Pyjama und über die Gitterstäbe seines Bettes – also doch? Wieder Gefängnis? – Nein, der Diener bringt den Kaffee. Und wie Herr Chaplin dann sofort aus dem geduckten Flüchtling ein feiner Herr wird, mit einer Zuckung der Schulter, einem ganz unmerklichen Zusammenreißen in den Augen: das ist schlechthin meisterhaft. Herr Chaplin muss hungrig zusehen, wie ein dicker Mann von vierundzwanzig Tellern sein Frühstück isst; dann soll er die leeren Teller abräumen. Ein Blick, zwei Löffel, und Herr Chaplin beginnt mit sieghafter Geste auf den Tellern Xylophon zu spielen.
All diese Einfälle dauern nur einen Augenblick, das geht alles ganz rasch vorüber, wird mit den sparsamsten Mitteln exekutiert. Er hat sich hinter einem umgestürzten Küchentisch verbarrikadiert und bewirft seine Partner mit gebratenen Kartoffelklößen: blitzschnell taucht die Assoziation „Schützengraben“ in ihm auf: er ergreift zwei leere Weinflaschen, steckt den Kopf über den Tisch und beäugt unendlich strategisch den Feind durch dieses neue Scherenfernrohr – und blitzschnell taucht er wieder unter.
Er hat eine Komik des Nichttuns entwickelt, die ganz ungeheuerlich ist. Der Mann, der sich nicht traut, durch eine Tür zu gehen, dreimal ansetzt und viermal umkehrt, ist noch niemals so gespielt worden wie von ihm. Er sitzt in der Heilsarmee und muss über irgend etwas lachen, das neben ihm vorgeht – der strafende Blick des Predigers fällt auf ihn – Großaufnahme: man sieht ihn fröhlich grinsen, und dann ist das Lachen wie mit einer Zange abgekniffen[2]. Unruhig ruckelt ein gerüffelter Schuljunge auf seinem Platz, und ganze Völkerschaften liegen unter dem Tisch.
Womit er das alles erreicht, ist völlig unbegreiflich. Manchmal nur mit einer kleinen Bewegung – er kann mit den Schultern weinen. Einmal wird einer massiert – Chaplin sieht den riesigen Bademeister und sein beklatschtes und malträtiertes Opfer. Er wird der Nächste sein… Und in den unergründlichen Augen liegt eine solche Angst, eine solche tiefe und fast tierische Furcht und dazu eine Gran Ironie, dass es so etwas gibt… Und er bewegt sich nicht, und man hört ihn jeden Gedanken denken.
Er ist so gütig und so freundlich zu aller Welt! Neben ihm steht ein kleiner Spielhund aus Tuch, ein Spielzeug, wie es die Kinder haben. Eine Flasche läuft aus und bekleckert ihm die Hosen. Ingrimmig und chokiert sieht er den Hund an. Dann stellt es sich heraus, dass es doch die Flasche war. Und leise streichelnd, mit einer unendlich zarten Bewegung bittet er das Hündchen um Verzeihung…
Der Mensch muss eine unerhörte Beobachtungsgabe haben, ein stehlendes Auge. Er kann die Bewegungen aller Handwerke nachmachen. Einmal frisiert er den Kopf eines Bärenbettvorlegers: mit welch femininer Grazie und mit welch gelangweilter Selbstverständlichkeit er Kamm und Bürste handhabt und nach dem Schamponieren leicht und elegant und oberflächlich den nassen Kopf abtrocknet! Das zeigt die natürliche Komik dieses großen Künstlers. Wenn unsere Mimen auf der Bühne einen Handwerker nachmachen, dann sieht man, dass sie ihn niemals beobachtet haben: so klopft kein Schuster, so schreibt kein Schreiber, so bewegt sich kein Kutscher. Chaplin kennt sie alle.
Er bekommt es fertig[3], nur durch seine Erscheinung andere Leute lächerlich zu machen. Er braucht nur aufzutreten, mit dem kleinen Hütchen, mit dem kleinen Stöckchen, mit dem kleinen Schnurrbärtchen, watscheln auf seinen unmöglichen Beinen – und alles drum herum[4] hat plötzlich unrecht, und er hat recht, und die ganze Welt ist lächerlich geworden. Es gibt ein Bild von ihm aus dem Kriege, auf dem der Zeichner den deutschen Kaiser abgebildet hat und seine Generäle – mit starrenden Schnurrbärten und furchteinflößenden Helmen. Ihre Augen kullern ihnen fast aus dem Kopf, sie sehen alle auf eine Sache. Denn vor ihnen latscht[5] Chaplin durch den Saal, sich leise einen pfeifend und unbeschreiblich frech sein Stöckchen schwingend. Und der ganze Militarismus ist hinten heruntergefallen.
„All der Unsinn, den Mister Chaplin macht, kommt aus den misslingenden Versuchen, so zu sein, wie andere Leute auch.“ Er hat einmal gesehen, wie der Mixer mixt und wie er in dem Affentanz von Eisstückchen, Cherrycoblern[6], Silberbechern und Herumhantieren an jedem Ei kurz riecht, bevor er es in den Topf schlägt… Aha, das macht man so. Und wenn er, Chaplin, mixt, riecht er auch an dem Ei. Aber bevor er es aufschlägt. Das kommt in der Fixigkeit nicht so genau darauf an…[7]
Man sagt, dass er alle seine Filme probeweise Kindern vorspiele. Wenn das nicht wahr ist, ist es brillant erfunden. Denn diese Filme mit der nachdenklichen Komik, mit der lustigen Tragik wenden sich an das Kind im Menschen, an das, was wohl bei allen Völkern gleich geblieben ist: an die unverwüstliche Jugendkraft. Er stellt das primitivste dar, aber das genial. Und er zeigt, wie lächerlich es ist, ein erwachsener Mensch zu sein, der sich ernst nimmt.
Als er einmal von Europa zurück nach Los Angeles fuhr, begrüßten ihn auf einer kleinen amerikanischen Station zweihundert kleine Jungen, alle als Mister Chaplin verkleidet: mit dem kleinen Hütchen, mit dem kleinen Bärtchen und mit dem kleinen Stöckchen. So watschelten sie auf ihn zu… Und weil er sehr kinderlieb ist, hat er ihnen allen Guten Tag gesagt.
Er ist, wie alle großen Komiker, ein Philosoph. Versäumen Sie nicht, ihn sich anzusehen. Sie lachen sich kaputt[8] und werden ihm für dieses Lachen dankbar sein, solange Sie leben.
Da geht er hin und ruckt nach all dem Kummer an einem kleinen Hut und watschelt ab und sagt mit den Beinen: „Auf Wiedersehn —!“
I. Übersätzen Sie ins Deutsch:
1. Самый известный человек в мире – не изобретатель, не политик и не философ. Это актер.
2. Все, что делает мой друг, выглядит как полная чепуха и путаница. Еще немного, и он сдастся.
3. С недавних пор маленькая Тина стала все копировать за взрослыми.
4. Смех помогает победить самый чудовищный страх.
5. Этот новый парень молниеносно учится всем ремеслам.
II. Ergänzen Sie mit einem Partizip I:
1. singen: Er ging zu Hause, leise _________ vor Freude.
2. schweigen: ______________ verlaß sie das Zimmer.
3. pfeifen: Der Teekessel benachrichtigte uns _________, dass das Wasser aufgekocht ist.
4.winken: Die Verkehrsampel leuchtete ____________, als wir fuhren vorbei.
5. lachen: ________ Menschen sehen junger aus.
III. Welches Wort fehlt?
1. ___________ sie hat noch niemand niemals gelacht. Sie ist so ________ (скучная).
2. Jetzt komme ich an die Reihe. Du bist die ____________.
3. So singt _________ Singer! Er ist total einzigartig.
4. Ich muss ______ jemandem wenden. Ich weiß nicht mehr, wo wir uns befinden.
5. Sei nicht _______! Sag deinen Freunden ”Auf Wiedersehen”.
I.
1. Der berühmteste Mensch der Welt ist kein Erfinder, kein Politiker und kein Philosoph. Er ist Schauspieler.
2. Alles, was mein Freund macht, sieht wie voller Unsinn und Gewirr aus. Es dauert nicht lange und er wird ducken.
3. Neuerdings macht die kleine Tina alles der Erwachsenen nach.
4. Lachen hilft die ungeheuerste Angst zu besiegen.
5. Dieser neue Bursche lernt blitzschnell alle Handwerke.
II.
1. singend
2. schweigend
3. pfeifend
4. winkend
5. lachende
III.
1. Über; fade
2. Nächste
3. kein
4. an
5. roh
Der liebe Gott in Frankreich
Wie verschieden ist es doch so im menschlichen Leben —!
Bringt in Deutschland jemand die Gedankenvorstellungen der Kirche mit dem Humor in nähern Zusammenhang[9], dann finden sich nicht nur etliche Domdechanten, sondern noch mehr Richter, die aus einem politischen Diktaturparagraphen – dem §166 – herausinterpretieren, was man nur wünscht. In Frankreich gibt es doch immerhin dieselbe katholische Kirche (über den Erdkreis hinweg), aber da sieht es nun so aus:
In den „Deux Anes[10]“ steigt eine der kleinen Revuen, über die wir uns schon manchmal unterhalten haben. Siebentes Bild: „Restaurant zum bekränzten Bürzel.“ Und weil ja in den feinen Hotels die Speisen feierlich dargebracht werden, dort also nicht gegessen, sondern das Essen zelebriert wird, so sehen wir nunmehr ein ganzes Diner auf eine recht absonderliche Weise serviert.
Vor dem Altar der Office steht der Maître d’Hotel, er macht viele kleine Verbeugungen und ruft mit modulierender Stimme die Speisen aus. „
„Avé – avé – avez-vous bien diné?[13]“
Alles lacht und klatscht. In den Zeitungen kein böses Wort. Im Publikum kein fader Jude, dem plötzlich das böse Gewissen[14] schlägt und der pogromängstlich „geschmakkkkklos“ murmelt, denn es geht nichts über den Katholizismus gebildet aufgeklärter Juden; kein frommer Abgeordneter, der nun aber neue Gesetze gegen Schmutz und Schund fordert… nichts.
Eine andre Rasse, gewiss. Damit ist noch nicht bewiesen, dass es in lateinischen Ländern mit dem Humor anders sei als bei uns, gewiss.
Aber glaubt doch ja nicht, dass es, alle Leichtigkeit des französischen Humors zugegeben, hier immer so gewesen ist. Die Kirche hat das Land einmal beherrscht. Und mit dem Patriotismus könnte man sich die gleiche Szene kaum ausdenken – da gäbe es Krach. Mit der Kirche aber…
Die hat eben – trotz allem – in Frankreich zum mindesten nicht die Macht, das öffentliche Leben so zu knebeln, wie sie das lautlos in Deutschland tut, wo alles kuscht, wenn sie bimmelt, und wo kein Mensch auf unsre Empfindungen Rücksicht nimmt[15], auf uns, deren Gefühle verletzt werden, wenn ein Pfaffe von der Kanzel herunter zum Mord hetzt. „Avez-vous bien diné?“ Wenn man die deutsche Zentrumsherrschaft mitansieht, kann man nur sagen: Mahlzeit!
Koffer auspacken
In der Fremde den Koffer auspacken, der etwas später gekommen ist, weil er sich unterwegs mit andern Koffern noch unterhalten musste: das ist recht eigentümlich.
Du hast dich schon ein bisschen eingelebt, der Türgriff wird leise Freund in deiner Hand, unten das Café fängt schon an, dein Café zu sein, schon sind kleine Gewohnheiten entstanden… da kommt der Koffer. Du schließt auf —
Eine Woge von Heimat fährt dir entgegen.
Zeitungspapier raschelt, und auf einmal ist alles wieder da, dem du entrinnen wolltest. Man kann nicht entrinnen. Ein Stiefel guckt hervor, Taschentücher, sie bringen alles mit, fast peinlich vertraut sind sie dir, schämst du dich ihrer? Wie zu nahe Verwandte, denen du in einer fremden Gesellschaft begegnest; alle siezen dich, sie aber sagen dir: Du —! und drohen am Ende noch, sprichst du mit einer Frau, schelmisch mit dem Finger. Das mag man nicht.
Wer hat den Koffer gepackt? Sie? Eine warme Welle steigt dir zum Herzen empor. So viel Liebe, so viel Sorge, so viel Mühe und Arbeit! Hast du ihr das gedankt? Wenn sie jetzt da wäre… Sie ist aber nicht da. Und wenn sie da sein wird, wirst du es ihr nicht danken.
Die Sachen im Koffer sprechen nicht die Sprache des Landes, nicht die Sprache der Stadt, in der du dich befindest. Ihre stumme Ordnung, ihre sachliche Sauberkeit im engen Raum sind noch von da drüben. Da liegen sie und sprechen schweigend. Mit etwas abwesenden Augen stehst du im Hotelzimmer und erinnerst dich nicht… nein, du bist gar nicht da – du bist da, wo sie herkommen, atmest die alte Luft und hörst die alten, vertrauten Geräusche… Zwei Leben lebst du in diesem Augenblick: eines körperlich, hier, das ist unwahrhaftig; ein andres seelisch, das ist ganz wahr.
Ein Mann, der sich lyrisch Hosen in den Schrank hängt! Schämen solltest du dich was! Tut’s ein Junggeselle, dann geht es noch an[16]; mit sachlich geübten Händen baut er auf und packt fort, glättet hier und bürstet da… Ein Verheirateter, das ist immer ein bißchen lächerlich; wie ein plötzlich selbständiges Wickelkind ist er, ohne Muttern, etwas allein gelassen in der weiten Welt.
Der Bademantel erinnert nicht nur; in seinen Falten liegen Stücke jener andern Welt, aus der du kamst. Das ist schon so. Aber faltest du ihn auseinander, dann fallen die Stücke heraus, verflüchtigen sich, auf einmal hängt er vertraut und doch fremd da, ein gleichgültiger Bademantel, den das Ganze nicht so sehr viel angeht… Und da ist etwas praktisch zusammengerollt, hier ist ein besonderer Trick des Packens zu sehn, hast du die Krawatten gestreichelt, alter Junge? Als ob du noch nie gereist wärst!
Leicht irr stehst du im Zimmer, in der einen Hand einen Leisten, in der andern zwei Paar Socken, und stierst vor dich hin. Gut, dass dich keiner sieht. Um dich ist Bäumerauschen, ein Klang, Schmettern dreier Kanarienvögel und eine Intensität des fremden Lebens, die du dort niemals gefühlt hast. Tropfen quillen aus einem Schwamm, den du nie, nie richtig ausgepresst hast. So saftig war er? Hast du das nicht gewusst? Zu selbstverständlich war es, du warst undankbar – das weißt du jetzt, wo es zu spät ist.
Eine Parfümflasche ist zerbrochen, das gute Laken hat einen grünlichen Fleck, ein Geruch steigt auf, und jetzt erinnert sich die Nase. Die hat das beste Gedächtnis von allen! Sie bewahrt Tage auf und ganze Lebenszeiten; Personen, Strandbilder, Lieder, Verse, an die du nie mehr gedacht hast, sind auf einmal da, sind ganz lebendig, guten Tag! Guten Tag, sagst du überrascht, ziehst den alten Geruch noch einmal ein, aber nach dem ersten Aufblitzen der Erinnerung kommt dann nicht mehr viel, denn was nicht gleich wieder da ist, kommt nie mehr. Schade um das Parfüm, übrigens. Die Flasche hat unten ein häßlich gezacktes Loch, es sieht fast so aus, wie etwas, daraus das Leben entwichen ist… Also das ist dummer Aberglaube, es ist ganz einfach eine zerbrochene Flasche.
Unten, auf dem Boden des Koffers, liegen noch ein paar Krümel, Reisekrümel, Meteorstaub fremder Länder. Jetzt ist der Koffer leer.
Und da liegen deine Siebensachen auf den Stühlen und auf dem Bett, und nun räumst du sie endgültig ein. Jetzt ist das Zimmer satt und voll, fast schon ein kleines Zuhause, und alle Erinnerungen sind zerweht, verteilt und dahin[17]. Noch ein kleines – und du wirst dich auf deiner nächsten Station zurücksehnen: nach diesem Zimmer, nach diesem dummen Hotelzimmer.
I. Übersätzen Sie ins Deutsch:
1. Положи в чемодан галстуки, носки и носовые платки.
2. На простыне пятно, ее придется стирать.
3. В комнате пахло духами.
4. Он часто вспоминает далекие страны, которые он посетил.
5. Знакомые звуки и запахи напоминают о детстве.
II. Adverb oder Adjektiv? Übersätzen Sie ins Russische:
1.
2.
3. Diese Arbeit ist
4. Die Wände waren vor kurzem
5. Er regt sich darüber
III. Welches Wort fehlt?
1. Er ist ein Linkshänder und schreibt deswegen auf eine recht absonderliche ____________.
2.Um Geschichte zu verstehen, muss man lernen, Fakten in ___________________ zu bringen.
3. Das ________ Gewissen ist die Erinnerung, die dir nie in Ruhe lassen wird.
4. ________________ wird zur zweiten Natur!
5. Es geht mich nicht _____, was du denkst.
I.
1. Packe die Krawatten, Socken und Taschentücher in den Koffer.
2. Es gibt einen Fleck aufs Laken, man muss es waschen.
3. Es roch nach Parfüm im Zimmer.
4. Er erinnert oft ferne Länder, die er besucht hat.
5. Vertraute Geräusche und Gerüche erinnern an Kindheit.
II.
1. Adverb. Он тщательно перепроверял результаты своего исследования.
2. Adjektiv. Умелые движения танцовщицы действовали на меня завораживающе.
3. Adjektiv. Эта работа поверхностная. Я не могу ее принять.
4. Adverb. Стены недавно ярко покрасили.
5. Adverb. Он чрезвычайно переживает из-за этого.
III.
1. Weise
2. Zusammenhang
3. böse
4. Gewohnheit
5. an
Der Hellseher
– „Sie… sind Hellseher?“
– „Ich bin von Haus aus[18] eigentlich Schwarzseher – nun verbinde ich diese beiden Berufe…“
– „Erfolge?“
– „Im Mai des Jahres 1914 notierte ich im Büchelchen: ‚Was wäre, wenn…‘ und wollte dartun, was sich begäbe, wenn es zu einem Kriege käme. Begeisterung Unter den Linden, allgemeiner Umfall…“
– „Wo haben Sie diese Arbeit veröffentlicht[19]?“
– „Ich war zu faul, sie niederzuschreiben.“
– „Das kann jeder sagen. Wussten Sie denn, dass es einen Krieg geben würde?“
– „So wenig wie ich sechs Tage vor Rathenaus Tod wusste, dass er gekillt werden würde. Trotzdem stieß ich am 22. Juni 1922 einen Kassandra[20]-Ruf aus: Was wäre, wenn…“
– „Und – wie sehen Sie heute? Hell? Schwarz? Hell? Bitte setzen Sie sich. Aber legen Sie nicht die Hand auf die Augen… mit mir müssen Sie das nicht machen. Sagen Sie nur, was Sie wissen. Putsch?“
– „Putsch trocken. Ich sehe kein Blut. Ich sehe die aufgeregte Insel Deutschland. Fascismus Lagerbräu.“
– „Erklären Sie sich näher.“
– „Wozu ein Putsch? Die Herren haben ja beinahe alles, was sie brauchen: Verwaltung, Richter, Militär, Schule, Universität – wozu ein Putsch? Immerhin… es ist Frühling… in Deutschland geschieht nie etwas, aber in den Köpfen steht: es muss etwas geschehn. Es kann schon etwas geschehn. Was wäre, wenn…“
– „Nehmen Sie etwas Kaffee. Es ist gar kein Kaffee, aber nehmen Sie nur etwas Kaffee, also: der deutsche Fascismus. Was wäre, wenn…?“
– „Der Stahlhelm, sorgsam gepflegt unter dem freundlichen Patronat einer Regierung, in der die Sozialisten stets auf die Koalition hinwiesen und in der die Rechten so taten, als wären sie ganz allein… der Stahlhelm wird aufmarschieren. Geld hat er. Gedrillt ist er. Passieren kann ihm nichts.“
– „Warum nicht —?“
– „Weil er die Verwaltung wachsen hört. Weil er alles, was jemals eine Behörde gegen ihn unternimmt, wenn es eine wagte, etwas zu unternehmen, achtundvierzig Stunden vorher weiß.“
– „Durch wen?“
– „Durch seine Leute, die die Verwaltung durchsetzen wie der Schimmel den Käse.“
– „Die Regierung?“
– „Die Regierung weiß es, will nichts wissen, ahnt es, möchte nichts ahnen… der Stahlhelm weiß.“
– „Die Hitlerleute?“
– „Halb so schlimm[21]. Furchtbar viel Geschrei; Brutalitäten; Freude an organisiertem Radau; Freude an der Uniform, den Lastwagen und dem Straßenaufmarsch… halb so schlimm. Vorspann – sobald sie den ersten Ruck gegeben haben, wird man sie bremsen, die armen Kerle. Es wird da große Enttäuschungen geben.“
– „Und was wird geschehen?“
– „Äußerlich nicht so sehr viel. Kleine lokale Widerstände der Arbeiter; die sind aber gespalten, desorganisiert, waffenlos, niedergebügelt von einer jahrelangen Vorbereitungsarbeit der Justiz. Die Besten sind nicht mehr. Die Zweitbesten hocken in den Zellen. Der Rest steht auf – und legt sich gleich wieder hin. Müde. Enttäuscht. Ausgehungert. Stempeln, stempeln, stempeln.“
– „Ausrufung der Diktatur? Absetzung des Reichspräsidenten?“
– „Wo denken Sie hin! Mussolini hat seinen kleinen König; die hier haben ihren breiten Hindenburg. Der bleibt. Der Reichstag wird so gut wie nach Hause geschickt… niemand wird ihn vermissen. Denn was die da in den letzten Jahren getrieben haben: so etwas von Leerlauf, von Selbstzweck, von Insicharbeit… so etwas war noch nicht da. Eine Karikatur des Parlamentarismus. Der ist fertig. Ein Direktorium, ein Ausschuss, irgend etwas mit harmlos-hochtönendem Namen, das wird regieren.“
– „Und wie?“
– „Immer verfassungstreu, oho! Druck mit staatsfeindlichen[22] Mitteln auf den Staat – und dann verfassungstreu. Wie sie regieren werden? Viel harmloser, als die maßlos enttäuschten, aber bald gebändigten Kleinbürger glauben. Deren radikale Flügel werden rasch unterdrückt; auch Herr Hitler hat seine Schuldigkeit getan und kann gehn. Es wird keine Revolution sein, so wenig wie die von 1918 eine gewesen ist – Personalböen werden sie machen…“
– „Bitte, klarer. Was sind Personalböen?“
– „Stürme in den Wassergläsern der Ressorts. Absägung der unbequemen Regierungssozialisten; Pensionierung von ein paar hundert Konzessionsschulzen, die sich schlecht und recht[23] durchgebuttert hatten, bis zu diesem Augenblick – und die kindlich erstaunt waren, als es nun so weit war. Die Brüder hatten nie etwas andres gesehen als ‚Realitäten‘ – also gar nichts. Von der wahren Kräfteverteilung im Lande fühlten sie nichts; hier mussten ihre Informationen versagen, denn statistisch läßt sich dergleichen nicht erfassen. Die werden verschwinden. Nun wird Deutschland stramm natio-nalliberal.“
– „Mehr nicht?“
– „Mehr nicht. Mehr ist gar nicht zu erzielen. Das wussten Schacht, Nicolai, selbst Seldte längst, ein paar Nazis wussten es auch, brüllten aber um des liebes Krieges willen[24] mit den andern mit. Außenpolitisch: eine Art Friede mit denen da draußen; verklausulierte Weiterzahlung der Schmachtribute, natürlich… wer kann denn auf den Mond fliegen? Platonische Liebe zu Italien, vergessen Südtirol; vage Noten an Frankreich, da geht Briand; Hin und Her; Verhandlungen mit England, mit Genf… und an alle: Versprechen der absoluten Bolschewisten-Feindschaft. Das beruhigt ungemein. Was glauben Sie: Deutschland als Hort gegen Russland! Eine sehr schöne Melodie.“
– „Also… innenpolitisch?“
– „Nicht, was Sie denken. Ein paar Zuchthausstrafen… ein paar Roheiten gegen die Juden… gegen eine Handvoll Republikaner… Beschränkung des Reichsbanners… Verbot der KPD[25]. – weiter nichts. Ja, und die Beamten werden wieder flegelhaft.“
– „Sozialversicherungen?“
– „Zeitweiser Abbau – aber auch der halb so schlimm in seiner Auswirkung. Das ginge ja gar nicht. Man wird einiges plakatieren und vieles stehen lassen. Was wirklich abgebaut wird, das wird die Kampfkraft der Arbeiter sein. Auch die zahmsten Gewerkschaften werden nichts zu lachen haben.“
– „Also… nehmen Sie noch etwas Kaffee, also Jubel im Lande?“
– „Gott, ja. Zunächst die übliche Verwirrung, an der Börse. Ach, diese Nase der Börse! Sie riecht alles, was in der Luft liegt – nachher. Übrigens ist es ihnen gleich. Die Börse wird nicht geschlossen werden, und der Kurfürstendamm, dessen Bewohner sich ein paar Tage ängstlich zu Hause halten oder verreisen, wird nicht gestürmt. Pogrome? Nein… Dann atmen sie wieder auf. Und alles geht weiter. Eigentlich, werden sie sagen, eigentlich ist ja alles gar nicht so schlimm.“
– „Die Zeitungen?“
– „Alle Obrigkeit kommt von Gott. Man muss sich nicht gegen das Gegebene auflehnen – das bekommt dem Inseratengeschäft nicht. Es sind Musterschüler; sie werden eine gute Zensur bekommen. Nach vier Wochen ist Ruhe im Lande… ‚Wenn auch… so doch immerhin…‘ “
– „Schlafen Sie nicht ein!“
– „Verzeihen Sie: ich sah im Geiste[26] Leitartikel. Geben Sie mir bitte noch etwas Kaffee. Auch in den Provinzstädten wird man auf die Dauer nicht zufrieden sein. Gewiss, die Jugend ist verhetzter als je[27], die Studenten hochfahrender, die Umzüge zahlreicher… aber die Jugend hat im Grunde andre Sorgen. Und dann eben… langsam… die Enttäuschung…“
– „Worüber?“
– „Dass Berlin nicht dem Erdboden gleichgemacht[28] ist. Dass die Not andauert. Dass auch jetzt nicht die Arbeitsgelegenheiten aus der Luft geflogen kommen. Dass die Butter nicht billiger wird. Leise, ganz leise kommt die Unzufriedenheit. Davon spricht aber kaum einer.“
– „Die öffentliche Meinung?“
– „Bewusst entpolitisiert, bei einem Höchstmaß von politischen Schlagworten. Bündischer[29] Unfug… Demonstrationen… Fahnen… im übrigen lenkt uns eine hochwohlweise Regierung. Das haben die Deutschen immer so gehalten[30]. Verloren ist allerdings, wer in diesen Jahren der Justiz in die Finger fällt[31]. Mit dem ist es dann aus[32]. Kurz: es ist eine Nachahmung des Fascismus – so, wie sie alles nach-ahmen… wie sie nicht einmal fähig sind, sich eine Bewegung für sich und aus sich heraus zu schaffen. Der Marsch auf Rom! Das war ein faszinierender Filmtitel. Auf Berlin marschieren sie gar nicht. Nach Berlin werden sie nur fahren, wenn sie sich von der Mittelstadt erholen wollen. In Berlin fallen sie nicht auf, wenn sie auf die Weiber gehen. Widerstand —? Verzeihung… ich fühle, dass Sie das fragen wollen… Widerstand? Nein, den finden sie wohl kaum. Von wem denn auch? Von dem bisschen Republik? Die hat in zwölf Jahren nicht verstanden, echte Begeisterung zu wecken, Menschen zur Tat zu erziehen, nicht einmal in ruhigen Lagen, wie denn, wenn es Kopf und Kragen zu riskieren gilt? Widerstand? Lieber Herr, das Land ist so weit entfernt von jeder Revolution! Dies ist ein Volk, das noch nicht einmal liberal ist. Die vielgelästerte Verwestlichung ist gar nicht so tief eingedrungen… sie halten mildübertünchte Korruption für Parlamentarismus, wirres Geschwätz Aller für Selbstbestimmungsrecht, Ressortstank für Politik, Vereinsmeierei für Demokratie… sie sind nie liberal gewesen, auch 48 nicht. Sie spüren nicht, dass die Welt um sie herum anders denkt und anders fühlt… sie spielen ihren politischen Skat ohne Partner. Wirft der andre die Karten hin, dann glauben sie, sie hätten gewonnen. Es ist ein Inselvolk.“
– „Die deutschen Brüder im Ausland?“
– „Werden sich ein paar Unannehmlichkeiten mehr zuziehn. Und das bisschen Kulturfassade, das kleine bisschen deutscher Freiheit – es ist zum Teufel.“
– „Das ist alles?“
– „Das dürfte alles sein. Ob es geschieht, weiß ich nicht. Wenn aber —: dann so. Übrigens… ich bin Hellseher… ich hatte eine Vision: Sie werden mir diese Sitzung honorieren… Ich dachte an hundert Mark?“
– „Hier haben Sie ein Bildnis Hindenburgs. Und lassen Sie sich draußen in der Küche ein paar Butterbrote geben… Gott befohlen[33], junger Mann!“
– „Heißen Dank, gnädiger Herr. Wenn Sie wieder etwas brauchen: Nepomuk Schachtel, Hellseher und Original-Astrologe mit ff.[34] indischen Erkenntnissen. Täglich von 9 bis 8, Sonntags geschlossen. Und empfehlen Sie mich in Ihrem werten Bekanntenkreise —!“
I. Übersätzen Sie ins Deutsch:
1. Мы всегда мысленно с вами.
2. Наш город стал красивее, чем когда либо.
3. Когда я напишу книгу, я сразу опубликую свою работу.
4. Первоначально он жил во Франции, но сейчас переехал в Бельгию.
5. Еще полбеды, что ее уволили, ведь теперь она лишилась вида на жительство (die Aufenthaltserlaubnis).
II. Sagen Sie anders:
1. Das Land ist
2. Die
3. Jeder hat sein eigenes
4. Was für eine
5.
III. Welches Wort fehlt?
1. Sein Vater war außer sich vor Zorn und konnte die Wohnung dem Erdboden __________________.
2. Keine Katze will den Kindern in die ____________ fallen.
3. Schlecht und ____________ hatten sie überwintern.
4. _______ dieser Arbeit willen vergisst er seine Familie und Freunde.
5. Es ist so ______________, dass der Bräutigam seine Braut entführen soll.
I.
1. Wir sind immer mit euch im Geiste.
2. Unsere Stadt wurde schöner als je.
3. Wenn ich mein Buch fertigschreibe, werde ich meine Arbeit sofort veröffentlichen.
4. Er wohnte von Hause aus in Frankreich, aber nun zog er ins Belgien um.
5. Es ist halb so schlimm, dass sie entlassen wurde, weil jetzt sie auch die Aufenthaltserlaubnis verlor.
II.
1. Es ist Jubel im Lande.
2. Der Widerstand war stark.
3. Jeder hat seine eigene Unzufriedenheit.
4. Was sind Sie von Beruf?
5. Die Obrigkeit brauchen Menschen um sein Gemeingut zu bewahren.
III.
1. gleichmachen
2. Finger
3. recht
4. um
5. gehalten
Die brennende Lampe
Wenn ein jüngerer Mann, etwa von dreiundzwanzig Jahren, an einer verlassenen Straßenecke am Boden liegt, stöhnend, weil mit einem tödlichen Gas ringend, das eine Fliegerbombe in der Stadt verbreitet hat; er keucht, die Augen sind aus ihren Höhlen getreten[35], er verspürt einen widerwärtigen Geschmack im Munde, und in seinen Lungen sticht’s, es ist, wie wenn er unter Wasser atmen sollte —: dann wird dieser junge Mensch in einem verzweifelten Blick an den Häusern hinauf, zum Himmel empor, fragen:
Warum —?
Weil, junger Mann, zum Beispiel einmal in einem Buchladen eine sanfte grüne Lampe gebrannt hat. Sie bestrahlte, junger Mann, lauter Kriegsbücher, die man dort ausgestellt hatte; sie waren vom ersten Gehilfen fein um die sanft brennende Lampe herumdrapiert worden, und die Buchhandlung hatte für dieses ebenso geschmackvolle wie patriotische Schaufenster den ersten Preis bekommen[36]. Deswegen.
Weil, junger Mann, deine Eltern und deine Großeltern auch nicht den leisesten Versuch gemacht haben, aus diesem Kriegsdreck und aus dem Nationalwahn herauszukommen. Sie hatten sich damit begnügt – bitte, stirb noch nicht, ich möchte dir das noch schnell erklären, zu helfen ist dir ohnehin nicht mehr – sie hatten sich damit begnügt, bestenfalls einen allgemeinen, gemäßigten Protest gegen den Krieg loszulassen; niemals aber gegen den, den ihr sogenanntes Vaterland geführt hat, grade führt, führen würde. Man hatte sie auf der Schule und in der Kirche, und, was wichtiger war, in den Kinos, auf den Universitäten und durch die Presse national vergiftet. So vergiftet, wie du heute da liegst: hoffnungslos. Sie sahen nichts mehr. Sie glaubten ehrlich an diese stumpfsinnige Religion der Vaterländer, und sie wussten entweder gar nicht, wie ihr eignes Land aufrüstete: geheim oder offen, je nach den Umständen[37]; oder aber sie wussten es, und dann fanden sie es sehr schön. Sehr schön fanden sie das. Deswegen, junger Mann.
Was röchelst du da —? „Mutter?“ – Ah, nicht doch. Deine Mutter war erst Weib und dann Mutter, und weil sie Weib war, liebte sie den Krieger und den Staatsmörder und die Fahnen und die Musik und den schlanken, ranken Leutnant. Schrei nicht so laut; das ist so gewesen. Und weil sie ihn liebte, hasste sie alle die, die ihr die Freude an ihrer Freude verderben wollten. Und weil sie das liebte, und weil es keinen öffentlichen Erfolg ohne Frauen geben kann, so beeilten sich die liberalen Zeitungsleute, brave Familienväter, die viel zu feige waren, auch nur ihren Portier zu ohrfeigen, so beeilten sie sich, den Krieg zu lobpreisen, halb zu verteidigen, jenen den Mund und die Druckerschwärze zu verbieten[38], die den Krieg ein entehrendes Gemetzel nannten; und weil deine Mutter den Krieg liebte, von dem sie nur die Fahnen kann-te, so fand sich eine ganze Industrie, ihr gefällig zu sein, und viele Buchmacher waren auch dabei. Nein, nicht die von der Rennbahn; die von der Literatur. Und Verleger verlegten das. Und Buchhändler verkauften das.
Und einer hatte eben diese sanft brennende Lampe aufgebaut, sein Schaufenster war so hübsch dekoriert; da standen die Bücher, die das Lob des Tötens verkündeten, die Hymne des Mordes, die Psalmen der Gasgranaten. Deshalb, junger Mann.
Ehe du die letzte Zuckung tust, junger Mann:
Man hat ja noch niemals versucht, den Krieg ernsthaft zu bekämpfen. Man hat ja noch niemals alle Schulen und alle Kirchen, alle Kinos und alle Zeitungen für die Propaganda des Krieges gesperrt. Man weiß also gar nicht, wie eine Generation aussähe, die in der reinen Luft eines gesunden und kampfesfreudigen, aber kriegablehnenden Pazifismus aufgewachsen ist. Das weiß man nicht. Man kennt nur staatlich verhetzte Jugend. Du bist ihre Frucht; du bist einer von ihnen – so, wie dein fliegender Mörder einer von ihnen gewesen ist.
Darf ich deinen Kopf weicher betten? Oh, du bist schon tot. Ruhe in Frieden. Es ist der einzige, den sie dir gelassen haben.
Die Bilderausstellung eines Humoristen
Wie es Sonntagsreiter gibt – so gibt es Sonntagsmaler. Deren Bilder hat der französische Schriftsteller Georges Courteline sein Leben lang gesammelt. Und diese Sammlung ist ausgestellt, bei Bernheim-Jeune in Paris in der Rue du Faubourg St. Honoré. Das ist die merkwürdigste Bilderausstellung, die ich seit langem zu sehen bekommen habe.
Courteline, ein Franzose mit Humor, ist Jahr um Jahr[39] friedlich auf dem linken Ufer in die kleinen Antiquitätenläden gegangen, hat hier herumgestochert und hat da Zeit vertrödelt, hat Dilettanten besucht und malende Schutzleute, malende Gasarbeiter, malende Volksschullehrer – ja, sogar malende Zollbeamte. Denn er hat wirklich und wahrhaftig einige Rousseaus besessen, aber er hat sie zu früh verkauft, und weil er Humor sein eigen nannte, wird er wohl nicht geweint haben. Heute sind sie viel Geld wert. That is the humour of it[40]. Jedoch, was ihm geblieben ist, das ist schon heiter genug.
Die ganze Menschengüte dieses seltenen Mannes spricht aus der Bemerkung, mit der er jetzt in den französischen Zeitungen dagegen protestiert, dass man seine Sammlung ein „Schreckenskabinett“ benenne – und das ist sie auch wirklich nicht. Er hat diese Bilder Namenloser lieb gehabt, und tatsächlich ist ja solche Pinselei nur durch einen haardünnen Strich von manchen großen Werken getrennt. Sehr schwer zu sagen, wo die blinde Naivität aufhört und die Kunst beginnt. Perlen hängen da an den Wänden bei Bernheim.
Den malenden Laien reizt vor allem die Anekdote sowie das Gegenständliche. Diese Bilder erzählen entweder eine Geschichte, oder sie bilden die Natur, den Menschen, die Tiere, die Sachen mit einem solchen Respekt ab, dass nur das mangelnde Können zum Lachen reizt, nicht die Auffassung, nicht die Anschauung. Vom Auge bis zum malenden Arm war es einfach zu weit.
Eine Landschaft aus der Auvergne… ach, wenn die Natur so schön wäre! Wenn wir sie noch so sehen könnten! Eine Zwergenfamilie… das heißt: man weiß bei dieser Art Privatperspektive der Herren Sonntagsmaler nie, ob es Zwerge, Kinder oder Verzeichnete sind, die da stehen. Ganz ersten Ranges[41]: die Ermordung der Familie Kink durch Herrn Mörder Troppmann.
Mörder Troppmann steht inmitten einer düstern Nachtlandschaft, in deren Hintergrund ein einsames, hohes, weißes Haus sehr unheimlich leuchtet. Auf dem Boden liegen blutig Vater, Mutter und viele Kinder, sie sind sämtlich sorgfältig rot angemalen, damit man auch weiß, was hier vor sich geht[42]. Mörder Troppmann ist grade im Begriff[43], einen Knaben, den er am Schlafittchen hat, niederzumachen; sogar seine Manschetten hat sich der Kerl besudelt, wie weit geht doch die menschliche Verworfenheit! Der Mond bricht – also darauf legt der Maler das größte Gewicht – der Mond bricht durchs Gewölk, das ist bei Morden so. Es ist ein sehr lehrreiches Bild.
Ein Badebild mit weißer Hosenromantik; wunderschöne Soldatenbilder – merkwürdig, wie oft das Militär, das bunte, dazu dient, leere Köpfe zu füllen; seltsame Anklänge an James Ensor, Bilder mit zahllosen kleinen visionären Männerchen[44]; am allerschönsten die Blumenstücke und die klaren Landschaften. Wir wollen uns nichts vormachen: so mancher snobistische Salon fiele brav herein, präsentierte man ihm diese Gemälde als letzte Neuheit.
Man kann diese Bilder kaufen; nun gehn sie in alle Welt und werden in Privatgalerien hängen und in Vorhallen, in Arbeitszimmern – sie werden lächeln machen und nachdenken.
Dass Georges Courteline so etwas gesammelt hat, wundert keinen, der diesen Mann kennt und liebt. Er ist übrigens nicht der einzige; so hat zum Beispiel der Maler Maurice Vlaminck etwas Ähnliches – aber Courteline ist kein Maler. Er ist ein Dichter, und was für einer!
Das Schönste, das Allerschönste an dieser Ausstellung steht im Katalog, den Robert Rey, der Kunsthistoriker vom Luxembourg, sehr klug eingeleitet hat. Das ist das Wappen, das sich Courteline selbst entworfen hat. Ein heraldischer Scherz mit Spaßlöwen und Scherzornamenten, nichts Bedeutendes. Aber unten, unter dem Wappen, zieht sich ein gemaltes Band, und auf dem steht ein Spruch.
Auf dem steht, Georges Courteline, der Spruch Ihres Lebens, und – verzeihen Sie – der des meinen auch. Nie wird mir einer glauben, dass dieselben Worte, genau dieselben Worte, seit Jahren in meinem Arbeitsbuch stehn, vorn auf der ersten Seite. Ihr ganzes Wesen ist darin, Courteline, genau das, um dessentwillen wir Sie lieben. Es sind nur zwei Worte und eine ganze Welt. Die Worte heißen:
„Et après —?[45]“
Na und —?
Die Welt verachten – das ist sehr leicht und meist ein Zeichen schlechter Verdauung. Aber die Welt verstehen, sie lieben und dann, aber erst dann, freundlich lächeln, wenn alles vorbei ist —: das ist Humor. Courteline, Sie sind „nur“ in der Académie Goncourt gewesen, und nicht in der „großen“ Akademie, nicht in der richtigen – et après? Ich weiß auch, dass manche meiner Landsleute Sie viel lieber haben als manche Franzosen. Die Franzosen, die so sagen: „Ja, aber immer diese Geschichten von Soldaten und von solchen Häusern und von Rauchtabak und dem kleinen Café – das ist gewiss sehr amüsant, ja, ja…“ und dann sprechen sie von ihrer gebildeten Literatur, von ihrer feinen, so psychologischen Literatur. Viele aber lieben Sie.
Ich weiß nicht, ob Ihre Geschichten auf deutsch wirken, und ob das herauskommt, was in ihnen an Weisheit ist, an Güte, an Skeptizismus, an Schmerz, an optimistischer Hoffnungslosigkeit. Wie im „Train de 8 h 47“[46] die Soldaten, die endlich, endlich eine Dienstreise machen dürfen, sich im Coupé benehmen wie die losgelassenen Jungens, unanständige Lieder braven Damen, die einsteigen wollen, ins Gesicht brüllen: Braaaah! – und durch ihr tölpelhaftes Geschrei überhören, dass sie umsteigen müssen und sich verfahren… und wie das alles vor Echtheit blinkt und knallt… wie das fugenlos stimmt! Oder wie in der einzigen Geschichte von den „Ronds-de-Cuir“[47] (den Bureaukraten) der kleine Roman auf der Erde anhebt, ganz real, o so wirklich! und sich dann langsam in den hellen Wolken des Wahnsinns verliert, um wieder zurückzukehren… Möglich, dass man das überhaupt nicht übersetzen kann, nur nachdichten, vor allem: nur nachfühlen. „Un homme de mon age…!“[48] protestiert ein Beamter während eines Streites. Und der Gegner: „Taisez-vous, homme de votre age!“[49] Das ist ein blitzender Kreisel an Ironie. Wie in den zahllosen Ausgaben der kleinen Szenen („Théâtre“) fast in jedem Dialog, fast in jeder kleinen Szene ein Satz, eine Wendung weit, weit über den Ulk hinausgeht, wie auf einmal ein Herz klopft, wo eben nur noch ein lachender Mund war – das bringt uns Deutschen den Courteline so nahe. Ich habe „Boubouroche“[50] in der „Comédie Française“ gesehen und habe auf die Bühne springen wollen, den Leuten zu sagen, wie man das spielt. Also fühlen wir es anders, also legen wir in diese Vase andre Blumen hinein – und wenn sie tausendmal nicht auf französischem Boden gewachsen sind: Victor Arnold hat den Boubouroche gespielt, und da wollen wir eine kleine Minute Schweigen einlegen.
Ja, Courteline. Alles, was ich von ihm weiß, entspricht genau seinem Wappenspruch. Er war unneugierig, er schrieb nicht sehr viel, man durfte ihn, wenn man will, getrost faul nennen – aber das, was er gemacht hat, ist voll von Leben. Und bei allem Gefühl für das nötige Pathos, das um eine Geburt, um einen Schicksalsschlag, um Geld und um den Tod ist, er ist so schön pathoslos. Es ist nicht die flaue und billige Überlegenheit des Spießers – es ist die echteste Überlegenheit des großen Künstlers.
Sie malen und malen. Sie dichten, komponieren, schmieren Papier voll und streiten sich um Richtungen, das muss sein. Sie sind expressionistisch und supranaturalistisch; sie sitzen neben dicken Damen auf dem Sofa, kriegen plötzlich lyrische Kalbsaugen und sprechen mit geziertem Mündchen, sie sind feige und lassen sich verleugnen oder lügen telephonisch; sie dirigieren Sinfonien und fangen einen kleinen Weltkrieg an, und sie haben für alles eine Terminologie. Welche Aufregung —! Welcher Eifer —! Welcher Trubel —! Horch sie leben.
Du aber, Georges Courteline, sitzt wie ein Buddha, eine Handbreit über der Erde, die du so genau kennst, träumst Tarock und hörst schläfrig aus dem Nebenraum des kleinen Cafés die Billardkugeln klappern. Zu Hause wartet deine Frau – die gute. Es ist spät, nun wirst du bald heimgehen. Aus einem Augenwinkel aber, man sollte es gar nicht glauben, blitzt es wie ein Blick über die Erde, weit über die Erde, über die Académie Française, die so fein ist, und über die kleinen Damen der Straße, die gar nicht fein sind – du hörst das Leben. Und ein Lächeln rieselte dünn unter deinem Schnurrbart hinweg. Du denkst deinen Wappenspruch. Du denkst:
„Et après? Na und —?“
I. Übersätzen Sie ins Deutsch:
1. Сегодня я буду смотреть конкурс, в котором участвует моя любимая певица. Я надеюсь, она получит первый приз.
2. Мы остановимся в отеле или в хостеле, смотря по обстоятельствам.
3. Что здесь происходит?
4. Твой друг как раз собирался рассказать тебе об этом.
5. Затыкать другому рот очень неприлично.
II. Welches Wort fehlt?
1. Für seine Hochzeit wünschen sie alles erster _____________; der Preis spielt keine Rolle.
2. Es gibt so viel, was Menschen aus verschiedenen Ländern _________ bringt.
3. Jahr ______ Jahr kauft er zum Weihnachten Apfelsinen und Zitronen.
4. Du findest nichts hier, du ______________ bloß die Zeit!
5. Dieser Film ist ein Schreckenskabinett. Mir traten vor Angst die Augen aus ihren __________ .
III. Wählen Sie die richtige Form:
1. Alles, was ich mit-von-über ihn wusste, war dass er aus Frankreich kam.
2.Meine Zwillinge haben aus-auf-an Kindesalter noch nicht herausgekommen. Sie sind erst vier Jahre alt.
3. Begnügst du dich von-nach-mit einem Geringem?
4. Was glaubst du an-zu-bei?
5. Siehst du die schöne Kirche an-am-auf dem rechten Ufer?
I.
1. Heute werde ich den Wettbewerb zuschauen, an den meine Lieblingssängerin teilnimmt. Ich hoffe, dass sie den ersten Preis bekommt.
2. Wir werden uns im Hotel oder in einer Herberge aufhalten, je nach den Umständen.
3. Was geht hier vor?
4. Dein Freund war grade im Begriffe, dir darüber zu erzählen.
5. Es ist unanständig, einem anderen den Mund zu verbieten.
II.
1. Range
2. nahe
3. um
4. vertrödelst
5. Höhlen
III.
1. von
2. aus
3. mit
4. an
5. auf
Gesunde und kranke Nerven
Versuchen wir die drei großen Systeme: Freud – Adler – Jung möglichst kurz in ihrem innern Wesen (nicht in ihren ausgesprochenen Lehren) zu fassen, so könnte man vielleicht sagen:
In Freuds Forschungsarbeit spürt man überall den heißen Atem der Großstadt. Die Überhelle, die blendende Dialektik gehört dazu. Ein die andern nicht ruhenlassender, selbst nie ruhender Großstadt-Faust.
In der Adlerschen Schule ist überall Kleinstadt; jeder sieht dem Nachbar in die Fenster und kontrolliert eifersüchtig dessen Lebensstandard – wobei die Geltung bei dem andern das Entscheidende ist. Anheimelnde Düfte der Mittelstandsküche in allen Gassen.
Mit Jung ist man weder in der Großstadt noch in der Kleinstadt, da ist man in frischer freier Alpenluft. Der Mensch als Bergwanderer nimmt zwar zeitweilig einen Führer, im übrigen aber ist er auf sich selbst und die eigne Kraft gestellt[51] – neben ihm Fels und Erde, über ihm strahlender Himmel und kraftspendende Sonne.“
Diese brillante Charakteristik findet sich in einer kleinen Schrift: „Gesunde und kranke Nerven“ von Doktor L. Paneth (erschienen in Max Hesses Verlag, Berlin-Schöneberg). Solcher populärer Bücher über diesen Gegenstand gibt es viele – so eines wie dieses habe ich noch nie gesehn.
Man muss den abscheulichen Missbrauch des psychiatrischen Vokabulariums wie übrigens den Missbrauch jeder Fachterminologie in Betracht ziehen, um die Reife und Klarheit, die Sauberkeit und gelassene Überlegenheit zu würdigen, die in diesem Bändchen zu finden ist. Es ist ein A-B-C-Buch, aber nichts ist schwerer zu schreiben als ein Lehrbuch. Lehren heißt: vom innern Reichtum abgeben; man muss am Ende stehen, wenn man andern den Anfang zeigen will.
Paneth, ein berliner Nervenarzt, erklärt zunächst die zeitgegebenen[52] Vorbedingungen der Nervosität und deren, Jahrgänge 1910–1930. Da ist nichts außer Acht gelassen[53], und alles ist gesagt: die wirtschaftlichen Umstände, die große Stadt, die Unrast und die Maschine. Es ergibt sich daraus[54], dass die landesüblichen Neurosen viel mehr schematisiert sind als ihre Besitzer glauben, die sich alle so einmalig vorkommen. Sicherlich sind ihre falschen seelischen Schaltungen untereinander ein wenig verschieden, aber sie lassen sich doch fast alle auf einen Generalnenner bringen[55]. Paneth tut das, ohne zu schematisieren. Man kann, sagt er, die gegebenen Zeitumstände zwar nicht ausradieren – man kann sie aber, soweit es sich nicht um unmittelbare Not[56] handelt, teilweise überwinden. Herein…? Ein Unentwegter.
„Guten Tag. Nervenkrankheiten? Bürgerliche Krankheiten. Kleinbürgerliche Vorurteile. Ihr Arzt ist ein Kleinbürger. Sie sind auch einer. Wenn der Fünfjahresplan durchgeführt wird, hört diese Schweinerei von selbst[57] auf. Paneth läßt die gesamtwirtschaftliche Situation schon rein dialektisch außer Acht; seine Folgerungen sind grobe, durch die Beschränktheit des bürgerlichen Gesichtskreises bedingte Fehler. Nur die materialistisch-dialektische Methode… die soziale Psychologie… die kapitalistische Produktion…“
Legen Sie es bitte solange auf den Stuhl. Denn so sehr wir gegen jene üble Anschauung Front machen[58], die die Wirtschaft ignoriert und so tut oder so tun möchte, als gebe es nur die „reine Seele“, eine Anschauung, die nichts von der materiellen Not, nichts vom Leid der Proletarier, nichts von den Ursachen dieser Not weiß: so sehr ist es an der Zeit, den Unentwegten mitzuteilen, dass man den Marxismus nicht wie eine Käseglocke über die Welt stülpen kann. Er deckt sie nicht. Ihr habt aus ihm eine dogmatische Religion gemacht. Wir machen das nicht mit.
Denn die Frage, die einmal durch einen Diskussionsredner aufgeworfen wurde: „Psychoanalyse oder Marxismus?“ ist etwa so intelligent gestellt wie die Antithese: Universität oder Krankenhaus? Kranke gehören in ein Krankenhaus, Studenten auf eine Universität. Die Kreise schneiden sich gar nicht.
Und hier steckt der ungeheure Fehler[59], der unsereinen veranlasst, dauernd nach zwei Seiten sehen zu müssen.
Nach rechts, wo die Bürger stehen, die alles, was auf der Welt geschieht, nur an ihren wirtschaftlichen Interessen messen, Leute, die diese ungeheure Hetze gegen Russland inszenieren, Menschen, denen noch die dümmste Nachricht über Russland willkommen ist, weil der Bolschewismus ihr geronnenes schlechtes Gewissen darstellt, und die jedes von den unsäglichen deutschen Provinzzeitungen abgedruckte Schauertelegramm über Stalin mit einem Aufatmen lesen: „Gottseidank. Also brauchen wir die Löhne nicht zu erhöhen. Also ist unser Bankkonto richtig. Lasset uns beten.“ Sie werden auch diese Vorbehalte so auffassen. Sie haben die Philosophie ihres Geldes.
Und nach links müssen wir sehen, wo unentwegte Marxisten mit einer sicherlich großen Theorie alles heilen wollen: die Krankheiten und die echten Seelennöte, an denen jeder von uns zu tragen hat, die Neurosen, die aus dem Wirtschaftlichen herrühren, und jene geistigen Betriebsstörungen, die ewig sind wie die Welt. Die fanatische Wut, womit jede Andeutung abgelehnt wird, dass es vielleicht auch noch außerhalb der marxistischen Gedankengänge etwas gebe, was für den Menschen von Wichtigkeit ist[60], läßt an die verzweifelten Versuche der katholischen Kirche denken, eine stets Neues gebärende Welt zu meistern. Es ist ihr, trotz allem, nicht gelungen. Die unentwegten Marxisten haben die Philosophie ihrer Gesinnung.
Ja, also Paneth. Die Heilmittel, die er für den Neurotiker dieser Epoche gibt, sind klein; er sagt das auch, denn es gibt nicht allzuviele solcher Medizinen. Es sind ganz einfache Dinge dabei, über die nur jemand spötteln kann, der nicht weiß, was Turnen und Atmen, was Meditation und was der Körper ist. Das hat die Arbeitersportbewegung längst erkannt; es gibt da bereits außerordentlich vernünftige Anweisungen und Belehrungen, wie man wenigstens der kleinern Übel[61] Herr werden kann. In dem Augenblick, wo ein Unternehmer oder eine Gewerkschaft versuchen, solche Winke dazu zu missbrauchen, sie unter der Marke „Dienst an der Gemeinschaft“ an Stelle des Klassenkampfes zu setzen, ist die schärfste Abwehr am Platz. Lediglich als Hilfsmittel aber ist dergleichen erlaubt.
Paneth spricht dann über die Neurosen des Geschlechtslebens in musterhafter und vorbildlich ruhiger Weise; wie denn überhaupt dieses Buch eine Geisteshaltung aufweist, die in Deutschland so ungeheuer selten ist: es ist gelassen. Paneth sagt, wie es ist; er versucht, Anweisungen zu geben, aus seelischen Schwierigkeiten herauszukommen, und eine gute Diagnose ist ja oft eine halbe Heilung, besonders im Sexuellen. Herein…? Ein Hitler-Mann.
„Heil! Ihr verdammten Syrier! In jüdischer Geilheit habt ihr die Psychoanalyse erfunden, um euern dreckigen Trieben freie Bahn zu schaffen[62]! Nichts ist euch heilig, während wir uns sehr heilig sind. Ihr verseucht die Städte und das Land mit eurer niedrigen Auffassung vom Geschlechtlichen, dem ihr ohne Weihe frönt! Ihr denkt überhaupt nur an blonde Weiber! Wir denken an schwarzgelockte Männer. (Ihr stürzt euch auf die Weiber. Wir uns auf die Männer.) Ihr erkennt keine Zucht an und keine Sitte. Syrier. Asiaten. Eunuchen. Schmarotzer. November-Verbrecher. Demokraten. Bolschewisten. Man sollte euch schlagen, dass die rote Suppe spritzt. Im übrigen sind wir die deutsche Kultur! Heil!“
Na, es ist gut; hier haben Sie eine Zigarre. Nichts zeigt die erschreckende Geistlosigkeit dieser deutschen Bewegung, gehätschelt von den Richtern, geduldet von zahllosen Polizeiverwaltungen, bezahlt von den Unternehmern, die eine Garde gegen die Wut der Arbeitslosen brauchen und zwei Garden gegen ihre eignen Arbeiter, bejubelt von ratlosen, ausgepowerten Proletariern, besonders auf dem Lande… nichts zeigt die traurige Geistesverfassung dieser Leute so an, wie die völlige Verständnislosigkeit gegenüber der Zeit, in der sie leben. Sie sehen nicht. Sie hören nicht. Und der irdische Kirdorf ernährt sie doch.
Nicht zu spüren, wie diese Heilmethoden dem Gefühl für die tiefe Not entsprungen sind, in der die Zeitgenossen stecken; niemals die Sprechstunde eines Seelenarztes in der Großstadt besucht zu haben; immer die eigne, sprungbereite Plumpheit auf die andern zu projizieren und nicht zu begreifen, dass in der Sexualität vom Grinsen bis zum Lächeln alle Stadien möglich sind… man muss schon ein Hitler-Mann sein, um das vollbringen zu können. Paneth steht selbstverständlich weit über diesem Sumpf. Er ist für die Sittlichkeit, nicht für das Muckertum.
Er ist vor allem kein Hohepriester, und das macht das Buch und den Mann so sympathisch. Er wirft manchen seiner Berufskollegen rechtens vor, wie jeder von ihnen auf sein „System“ schwört, als ob man alle Kranken nach einer einzigen Methode behandeln könnte. Das betont auch Jung, grade bei ihm ist das doppelt beachtlich, weil er die psychoanalytischen Elemente noch in den fernen Kulturen Asiens erkennt, ohne sie nun kopierend zu übernehmen. Paneth sieht die Sache so an:
Der durchschnittliche städtische Mitte-leuropäer befindet sich fast immer im Vorstadium der Neurose. Was kann man für ihn tun?
Man kann ihn analysieren. Damit ist die Sache jedoch nicht abgetan, wie die extremen Freudianer glauben. Man muss nicht nur analysieren, nicht nur auflösen, man muss auch wieder zusammensetzen, also die von Jung geforderte Synthese suchen. Man muss den Menschen zu sich selber verhelfen – schon in der Soziologie Simmels findet sich die schöne Erkenntnis, dass es fast niemand zu sich selber gebracht hat. Und hier zu helfen: das ist keine Aufgabe des Marxismus und keine des Nationalismus – das ist eine Aufgabe der Seelenkunde.
Die Definitionen des Panethschen Buches sind für jeden, der unter sich und unter seiner Zeit leidet, eine kleine Erlösung. Paneth sagt allerdings, dass es dem Neurotiker in den meisten Fällen[63] nicht möglich sein wird, sich selber zu heilen, weil er sich dazu in Arzt und Patienten spalten müsste, was nicht ungefährlich ist, und weil er dann sehr viel Kraft auf diesen Heilungsversuch in sich verwendet, also grade das tut, was er zu tun kaum fähig ist. Es muss schon einer da sein, der den Knaben an die Hand nimmt und ihn über den Damm führt. Und man kann nur wünschen, dass in den öffentlichen Beratungsstellen der Krankenhäuser viele solcher Männer säßen, wie Paneth einer ist. Was zu bezweifeln sein dürfte: der Durchschnittsarzt steckt noch tief im mechanistischen Darwinismus.
Und auch für den, der das Buch nicht aus egoistischen Interessen liest, springt viel Lehrreiches über die Zeit heraus, die ja von Neurotikern repräsentiert wird. (Hier sei Hitler ausgenommen; er ist nicht einmal ein Besessener. O, wäre er wenigstens verdreht!) Zu Ende formuliert ist bei Paneth die Definition der Zeit-Störungen; statt: Spannung – Entspannung finden wir: Erschlaffung – Krampf; Explosionen, die „nur heftig sind, aber nicht stark“… lest das nach.
Und legt das Büchlein in die richtige Schublade. Es ist keine Bibel, sondern eine Fibel. Es ist der saubere Versuch, auf dem Gebiet der Seelenkunde, nicht losgelöst von allem andern, aber auch nicht fachlich überbetont, den Menschen zu helfen. Sie haben es nötig[64].
I. Übersätzen Sie ins Deutsch:
1. Маленьких детей нельзя оставлять без присмотра (предоставлять самим себе).
2. Давайте приведем все факты к общему знаменателю.
3. Юрген очень милый; друзья у него появляются сами собой.
4. Большинство ошибок кроется в том, что у человека узкий (ограниченный) горизонт мыслей.
5. Мы постоянно вынуждены выбирать меньшее из двух зол.
II. Adverb oder Adjektiv? Übersätzen Sie ins Russiche:
1. Neuerdings ist ihre Besserung beachtlich.
2. Er wahrt seine Arbeit wörtlich eifersüchtig!
3. Ihre Tochter ist außerordentlich fleißig und klug.
4. Du gehst zur Party lediglich, wenn dein Bruder mitgeht.
5. Das ist allerdings schwer, einen Berg hin-unterzusteigen.
III. Wählen Sie die richtige Form:
1. An-in-auf den meisten Fällen ist die Geisteskrankheit nicht zu heilen.
2. Die Neurosen ergeben sich darauf-daran-daraus, dass der Mensch sich stets unzufrieden fühlt.
3. Gibt es Nachricht über-auf-um seine Prüfung?
4. Heutiges Spiel ist nach-zu-von großer Wichtigkeit für ihn.
5. Auf-an-nach dieser Methode werden mehrere Viren bewältigt.
I.
1. Man darf die kleine Kinder nicht auf sich selbst stellen.
2. Lasst uns alle Fakten auf einen Generalnenner bringen.
3. Jurgen ist so nett; neue Freunde treten von ihm von selbst auf.
4. Die meisten Fehler stecken darin, dass der Mensch einen beschränkten Gesichtskreis hat.
5. Wir sind gezwungen, stets das kleinere von zwei Übeln wählen.
II.
1. Adjektiv. В последнее время ее выздоровление значительно (заметно).
2. Adverb. Он охраняет свою работу прямо-таки (буквально) ревниво!
3. Adverb. Ваша дочь чрезвычайно прилежная и умная.
4. Adverb. Ты пойдешь на вечеринку исключительно, если твой брат пойдет с тобой.
5. Adverb. Это действительно трудно, спускаться с горы.
III.
1. In
2. Daraus
3. Über
4. Von
5. Nach
Blick in ferne Zukunft
…Und wenn alles vorüber ist[65] —; wenn sich das Alles totgelaufen hat: der Hordenwahnsinn, die Wonne, in Massen aufzutreten, in Massen zu brüllen und in Gruppen Fahnen zu schwenken, wenn diese Zeitkrankheit vergangen ist, die die niedrigen Eigenschaften des Menschen zu guten umlügt[66]; wenn die Leute zwar nicht klüger, aber müde geworden sind; wenn alle Kämpfe um den Fascismus ausgekämpft und wenn die letzten freiheitlichen Emigranten dahingeschieden sind —:
dann wird es eines Tages wieder sehr modern werden, liberal zu sein.
Dann wird einer kommen, der wird eine gradezu donnernde Entdeckung machen: er wird den Einzelmenschen entdecken. Er wird dahinter kommen: Herrschaften, es gibt einen Organismus, Mensch geheißen, und auf den kommt es an. Ob der glücklich ist, das ist die Frage. Dass der frei ist, das ist das Ziel. Gruppen sind etwas Sekundäres – der Staat ist etwas Sekundäres. Es kommt nicht darauf an, dass der Staat lebe – es kommt darauf an, dass der Mensch lebe.
Dieser Mann, der so spricht, wird eine große Wirkung hervorrufen. Die Leute werden seiner These zujubeln und werden sagen: „Das ist ja ganz neu! Welch ein Mut! Das haben wir noch nie gehört! Eine neue Epoche der Menschheit bricht an! Welch ein Genie haben wir unter uns[67]! Auf, auf! Die neue Lehre —!“
Und seine Bücher werden gekauft werden oder vielmehr die seiner Nachschreiber, denn der erste ist ja immer der Dumme.
Und dann wird sich das auswirken, und hunderttausend schwarzer, brauner und roter Hemden werden in die Ecke fliegen und auf den Misthaufen. Und die Leute werden wieder Mut zu sich selber bekommen, ohne Mehrheitsbeschlüsse und ohne Angst vor dem Staat, vor dem sie gekuscht hatten wie geprügelte Hunde. Und das wird dann so gehen, bis eines Tages…
Die Großen
Kein Kind versteht die Erwachsenen – so, wie ja auch die Erwachsenen gewöhnlich ihre Kinder nicht verstehn. Die Kinder sehen auf die Großen herab… Was die alles machen! was die so für Sorgen haben! weshalb sie sich laut gebärden und was sie nicht sehen und mit welchen geheimnisvollen Arbeiten sie sich befassen und wichtig tun! Kein Kind versteht die Erwachsenen; es fühlt sie nur manchmal.
Nun bin ich auch erwachsen und verstehe meine Miterwachsenen doch nicht sehr schön. Es ist wohl vor allem der tierische Ernst[68], von dem der Weise als von dem Kennzeichen niedriger Naturen spricht, der mich fernhält. Wie nehmen sie es alles ernst! Sich und ihren Beruf und ihr Haus und ihre Familie und ihr Vaterland und ihre Partei und ihr Geld, na, das vor allem – und da ist kaum ein Augenblick, in dem sie sich einmal selber auf den Kopf spucken können, über sich selber lachen, einmal aus sich herausgehen… nicht doch. Ich stehe daneben wie Chaplin: ich muss immerzu den Kopf schütteln. Und sehe an mir herunter: Ja, trage ich denn noch kurze Hosen? Nein, im allgemeinen nicht. Ich sollte doch nun auch als Original-Erwachsener mit den Großen groß tun… ich kann nicht. Das ist sehr gefährlich – man darf es gar nicht laut sagen; dann nehmen sie einen nicht mehr für voll. „Der Mann is nich zerjeehs“, sagen sie dann. Ich kenne Kaufleute, die sind jünger als ich; wenn die vom Geschäft sprechen, bin ich wieder sieben Jahre, klettere meinem Papa auf dem Schoß herum, und der sagt: „Jetzt störe mal nicht! Also, Herr Fahrenholz – wir haben bei der Kontrolle festgestellt…“ Dabei war Vater nicht ernster, als er unbedingt musste, er hatte Humor – aber wenn er über seine Geschäfte sprach, dann machte er das ganz ernst und vernünftig, und ich verstand kein Wort. Ich sah an ihm hoch…
Ich sehe heute an den Erwachsenen hoch. Das kommt vielleicht auch daher, dass sie alle einen richtigen Beruf haben, der sie ergriffen hat (sie bilden sich ein: den sie ergriffen haben). Wenns windig ist, halten sie sich an dem fest. Ja, ich kann das auch – aber dann muss ich mich verstellen. Im Laufe der Jahre lernt man so allmählich, was man in den verschiedenen Lagen tun muss: hier lügen und da mit Applomb die Wahrheit sagen und auf alle Fälle furchtbar ernst sein. Manchmal juckt es mich gradezu, während solch eines Gesprächs, Verzeihung: Verhandlung, pardon: Konferenz, den Partner ein bisschen in die Seite zu schubsen und zu sagen: „Max. Das ist doch alles Zimt. Hör mal zu, wir wollen das so machen…“ Aber das darf man nicht. Man muss sein Gesicht glatt halten, wie wenn ein unsichtbares Monokel drin säße, kalt und hart, römisch-japanisch, und dann muss man sagen: „Ich habe da noch einige Bedenken. Die Ziffer IV des Vertrages…“ So muss man. Aber man möchte das nicht.
Und daher bringts denn auch unsereiner zu nichts. Geld will ernst genommen werden; sonst kommt es nicht zu dir. Und ich werde immer jünger und werde wohl mit siebzig reifenspielend im Tiergarten angetroffen werden und selig die Kinderbücher meiner Jugend lesend. Und wenn mir heute auf dem Lande Kinder begegnen, die scheu den fremden, dicken Mann grüßen, dann möchte ich immer hingehn und sagen: Kinder, ich gehöre ja eigentlich zu euch – nicht zu euerm Lehrer! Aber das glauben sie mir nicht, für sie bin ich ein Erwachsener. Und für die Erwachsenen ein halbes Kind. Man hats gar nicht leicht im menschlichen Leben.
Es gibt keinen Neuschnee
Wenn du aufwärts gehst[69] und dich hochaufatmend umsiehst, was du doch für ein Kerl bist, der solche Höhen erklimmen kann, du, ganz allein —: dann entdeckst du immer Spuren im Schnee. Es ist schon einer vor dir da gewesen.
Glaube an Gott. Verzweifle an ihm. Verwirf alle Philosophie. Lass dir vom Arzt einen Magenkrebs[70] ansagen und wisse: es sind nur noch vier Jahre, und dann ist es aus. Glaub an eine Frau. Verzweifle an ihr. Führe ein Leben mit zwei Frauen. Stürze dich in die Welt. Zieh dich von ihr zurück…
Und alle diese Lebensgefühle hat schon einer vor dir gehabt; so hat schon einer geglaubt, gezweifelt, gelacht, geweint und nachdenklich in der Nase gebohrt, genau so. Es ist immer schon einer da gewesen.
Das ändert nichts, ich weiß. Du erlebst es ja zum ersten Mal. Für dich ist es Neuschnee, der da liegt. Es ist aber keiner, und diese Entdeckung ist zuerst sehr schmerzlich. In Polen lebte einmal ein armer Jude, der hatte kein Geld, zu studieren, aber die Mathematik brannte ihm im Gehirn. Er las, was er bekommen konnte, die paar spärlichen Bücher, und er studierte und dachte, dachte für sich weiter. Und erfand eines Tages etwas, er entdeckte es, ein ganz neues System, und er fühlte: ich habe etwas gefunden. Und als er seine kleine Stadt verließ und in die Welt hinauskam, da sah er neue Bücher, und das, was er für sich entdeckt hatte, gab es bereits: es war die Differentialrechnung. Und da starb er. Die Leute sagen: an der Schwindsucht. Aber er ist nicht an der Schwindsucht gestorben.
Am merkwürdigsten ist das in der Einsamkeit. Dass die Leute im Getümmel ihre Standard-Erlebnisse haben, das willst du ja gern glauben. Aber wenn man so allein ist wie du, wenn man so meditiert, so den Tod einkalkuliert, sich so zurückzieht und so versucht, nach vorn zu seh-en —: dann, sollte man meinen, wäre man auf Höhen, die noch keines Menschen Fuß je betreten hat[71]. Und immer sind da Spuren, und immer ist einer dagewesen, und immer ist einer noch höher geklettert als du es je gekonnt hast, noch viel höher.
Das darf dich nicht entmutigen. Klettere, steige, steige. Aber es gibt keine Spitze. Und es gibt keinen Neuschnee.
Zur soziologischen Psychologie der Löcher
Dass die wichtigsten Dinge durch Röhren gethan werden. Beweise: erstlich die Zeugungsglieder[72], die Schreibfeder und unser Schießgewehr.
Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist.
Das Loch ist ein ewiger Kompagnon des Nicht-Lochs: Loch allein kommt nicht vor, so leid es mir tut[73]. Wäre überall etwas, dann gäbe es kein Loch, aber auch keine Philosophie und erst recht keine Religion, als welche aus dem Loch kommt. Die Maus könnte nicht leben ohne es, der Mensch auch nicht: es ist beider letzte Rettung, wenn sie von der Materie bedrängt werden. Loch ist immer gut.
Wenn der Mensch „Loch“ hört, bekommt er Associationen: manche denken an Zündloch, manche an Knopfloch und manche an Goebbels.
Das Loch ist der Grundpfeiler dieser Gesellschaftsordnung, und so ist sie auch. Die Arbeiter wohnen in einem finstern, stecken immer eins zurück, und wenn sie aufmucken, zeigt man ihnen, wo der Zimmermann es gelassen hat[74], sie werden hineingesteckt, und zum Schluss überblicken sie die Reihe dieser Löcher und pfeifen auf dem letzten. In der Ackerstraße ist Geburt Fluch; warum sind diese Kinder auch grade aus diesem gekommen? Ein paar Löcher weiter, und das Assessorexamen wäre ihnen sicher gewesen.
Das Merkwürdigste an einem Loch ist der Rand. Er gehört noch zum Etwas, sieht aber beständig in das Nichts, eine Grenzwache der Materie. Das Nichts hat keine Grenzwache: während den Molekülen am Rande eines Lochs schwindlig wird, weil sie in das Loch sehen, wird den Molekülen des Loches… festlig? Dafür gibt es kein Wort. Denn unsre Sprache ist von den Etwas-Leuten gemacht; die Loch-Leute sprechen ihre eigne.
Das Loch ist statisch; Löcher auf Reisen gibt es nicht. Fast nicht.
Löcher, die sich vermählen, werden ein Eines, einer der sonderbarsten Vorgänge unter denen, die sich nicht denken lassen. Trenne die Scheidewand zwischen zwei Löchern: gehört dann der rechte Rand zum linken Loch? oder der linke zum rechten? oder jeder zu sich? oder beide zu beiden? Meine Sorgen möcht ich haben.
Wenn ein Loch zugestopft wird: wo bleibt es dann? Drückt es sich seitwärts in die Materie? oder läuft es zu einem andern Loch, um ihm sein Leid zu klagen[75] – wo bleibt das zugestopfte Loch? Niemand weiß das: unser Wissen hat hier eines.
Wo ein Ding ist, kann kein andres sein. Wo schon ein Loch ist: kann da noch ein andres sein?
Und warum gibt es keine halben Löcher —?
Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein entwertet; weil an einer Stelle von ihnen etwas nicht ist, gilt nun das ganze übrige nichts mehr. Beispiele: ein Fahrschein[76], eine Jungfrau und ein Luftballon.
Das Ding an sich muss noch gesucht werden; das Loch ist schon an sich[77]. Wer mit einem Bein im Loch stäke[78] und mit dem andern bei uns: der allein wäre wahrhaft weise. Doch soll dies noch keinem gelungen sein. Größenwahnsinnige behaupten, das Loch sei etwas Negatives. Das ist nicht richtig: der Mensch ist ein Nicht-Loch, und das Loch ist das Primäre. Lochen Sie nicht; das Loch ist die einzige Vorahnung des Paradieses, die es hienieden gibt. Wenn Sie tot sind, werden Sie erst merken, was leben ist. Verzeihen Sie diesen Abschnitt; ich hatte nur zwischen dem vorigen Stück und dem nächsten ein Loch ausfüllen wollen.
I. Übersätzen Sie ins Deutsch:
1. Каждое новое открытие в физике меняет самые основы (опорные представления) современной науки.
2. Оглянись, какая красота вокруг!
3. Он смотрит все фильмы, какие только может достать.
4. Не давай себе падать духом, и у тебя все получится.
5. Еще никому не удавалось ее переубедить.
II. Falsch oder richtig?
1. Der Erzähler zählt zu einem halben Kind.
2. Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein verteuert.
3. Der Loch kommt allein vor.
4. Es gibt ein Augenblick, in dem alle Großen sich einmal selber auf den Kopf spucken.
5. Der Erzähler wird gern die Kinderbücher seiner Jugend lesen.
III. Antworten Sie:
1. Warum heißt die Erzählung ”Es gibt keinen Neuschnee”? Was meint der Schriftsteller?
2. Was ist die letzte Rettung von Materie?
3. Was gefällt dem Erzähler nicht an Erwachsenen?
4. Was findet der Schriftsteller wichtiger – den Staat oder den Einzelmenschen?
5. Was gehört zu Dinge an sich?
I.
1. Jede neue Entdeckung in der Physik erschüttert die Grundpfeiler der modernen Wissenschaft.
2. Sehe dich um, was für Schönheit ringsumher!
3. Er sieht alle Filme an, was er bekommen kann.
4. Lass dich nicht entmutigen und du schaffst das.
5. Es ist noch keinem gelungen, sie umzustimmen.
II.
1. Richtig
2. Falsch (sie werden entwertet)
3. Falsch (Der kommt allein nicht vor)
4. Falsch (Es gibt kaum so ein Augenblick)
5. Richtig
III.
1. Der Schriftsteller meint, dass es nichts Neues gibt, Alles ist schon mal gewesen.
2. Die Löcher sind es.
3. Ihm gefällt nicht, dass sie es alles so maßlos ernst nehmen.
4. Er behauptet, dass der Staat und andere Gruppen etwas Sekundäres sind.
5. Die Löcher sind an sich.
Der Herr Soundso
Die Sprache hat gesiegt – es ist nichts mehr zu machen[79]. Nun steht der Unfug auch im Duden… Die schauerliche neue Ausgabe dieses höchst nötigen Nachschlagewerkes, ein Augenpulver[80], vierspaltig[81], beinah so unübersichtlich wie das berliner Telephonbuch: der „GROSZE“ Duden hats auch. Da steht auf Seite 517:
„sowieso (unter allen Umständen, jedenfalls); der Herr Sowieso“. Es ist zum Weinen[82]. Denn auf Seite 516 steht richtig:
„soundso (unbestimmt wie); Paragraph soundso; der Herr Soundso“. Beides kann nicht richtig sein; eines kann nur richtig sein; was ist richtig?
Bei Courteline kommt einmal eine Dame in einen Buchladen und fragt den Sortimenter nach einem Buch, dessen Titel sie vergessen habe. „Von wem solls denn sein?“ Von Daudet. „Von Alphonse Daudet?“ Ja. Der Buchhändler zählt auf. Nein, das nicht: nicht die Briefe aus meiner Mühle und nicht dies und nicht das… es sei, aber der Herr Buchhändler müsse nichts schlechtes denken, man sei Gottseidank eine verheiratete Frau… es handele sich… kurz: dass Buch sei etwas… ein wenig… wie? „Von Daudet?“ – Ja. Der Buchhändler denkt nach. Er führt keine Erotika, kein Buchhändler führt Erotika… und Daudet? Der verzweifelte Buchhändler sagt alle unanständigen Buchtitel auf, die er kennt – aber von Daudet ist keines darunter. Und es ergibt sich, dass die immer mehr errötende Dame den Titel eines Daudetschen Buches daneben verstanden hat. Das Buch heißt: „Le Petit Chose“ [83]. Der kleine Dingsda.
Denn – so lehrt die Moral dieser Geschichte – wenn man den Namen eines Mannes nicht weiß, so nennt man ihn Herr X oder Herr Dingsda oder Herr Soundso, weil ja „soundso“ etwas Unbestimmtes bedeutet. Gussy Holl hat für Leute ihr unbekannten Namens die Bezeichnung „Herr Pimm“ eingeführt, aber das steht wieder nicht im Duden.
Immerhin scheint mir Pimm noch zulässiger als „Herr Sowieso“, was eine klar erkennbare Verwechslung mit dem „Soundso“ ist… aber es ist nichts mehr zu machen. Alle Leute sagen es. Weil wir aber nicht Eduard Engel[84] heißen und also der Sprache nicht nachbelfern, wenn sie einmal anders will als wir —: so wollen wir uns damit begnügen, es nicht zu schreiben, und wir wollen nicht weinen, sondern die Sowieso-Sager mit jener höchst schauderhaften Klischee-Redensart entlassen: „Das sowieso.“
Mir fehlt ein Wort
Ich werde ins Grab sinken, ohne zu wissen, was die Birkenblätter tun. Ich weiß es, aber ich kann es nicht sagen. Der Wind weht durch die jungen Birken; ihre Blätter zittern so schnell, hin und her, dass sie… was? Flirren? Nein, auf ihnen flirrt das Licht; man kann vielleicht allenfalls sagen: die Blätter flimmern… aber es ist nicht das. Es ist eine nervöse Bewegung, aber was ist es? Wie sagt man das? Was man nicht sagen kann, bleibt unerlöst – „besprechen“ hat eine tiefe Bedeutung. Steht bei Goethe „Blattgeriesel“? Ich mag nicht aufstehen, es ist so weit bis zu diesen Bänden, vier Meter und hundert Jahre. Was tun die Birkenblätter —?
(Chor): „Ihre Sorgen möchten wir… Hat man je so etwas… Die Arbeiterbewegung… macht sich da niedlich mit der deutschen Sprache, die er nicht halb so gut schreibt wie unser Hans Grimm…“ Antenne geerdet, aus.
Ich weiß: darauf kommt es nicht an; die Gesinnung ist die Hauptsache; nur dem sozialen Roman gehört die Zukunft; und das Zeitdokument – o, ich habe meine Vokabeln gut gelernt. Aber ich will euch mal was sagen:
Wenn Upton Sinclair[85] nun auch noch ein guter Schriftsteller wäre, dann wäre unsrer Sache sehr gedient. Wenn die pazifistischen Theaterstücke nun auch noch prägnant geschrieben wären, dass sich die Sätze einhämmern, dann hätte unsere Sache den Vorteil davon. Sprache ist eine Waffe. Haltet sie scharf. Wer schludert, der sei verlacht, für und für. Wer aus Zeitungswörtern[86] und Versammlungssätzen seines dahinlabert, der sei ausgewischt, immerdar. Lest dazu das Kapitel über die deutsche Sprache in Alfons Goldschmidts „Deutschland heute“. Wie so vieles, ist da auch dieses zu Ende gesagt.
Was tun die Birkenblätter —? Nur die Blätter der Birke tun dies; bei den andren Bäumen bewegen sie sich im Winde, zittern, rascheln, die Äste schwanken, mir fehlt kein Synonym, ich habe sie alle. Aber bei den Birken, da ist es etwas andres, das sind weibliche Bäume – merkwürdig, wie wir dann, wenn wir nicht mehr weiterkönnen, immer versuchen, der Sache mit einem Vergleich beizukommen; es hat ja eine ganze österreichische Dichterschule gegeben, die nur damit arbeitete, dass sie Eindrücke des Ohres in die Gesichtsphäre[87] versetzte und Geruchsimpressionen ins Musikalische – es ist ein amüsantes Gesellschaftsspiel gewesen, und manche haben es Lyrik genannt. Was tun die Birkenblätter? Während ich dies schreibe, stehe ich alle vier Zeilen auf und sehe nach, was sie tun. Sie tun es. Ich werde dahingehen und es nicht gesagt haben.
I. Übersätzen Sie ins Deutsch:
1. Я очень устал. Я больше не могу.
2. Кто будет халтурить, не получит хороших оценок.
3. Мы обязательно придумаем, как справиться с этой проблемой.
4. Я должен проверить отчет, прежде, чем сдам его.
5. Наш телевизор, похоже, сломался: картинка мигает.
II. Welches Wort fehlt?
1. Unsere Kinder sind jetzt erwachsen. Da ist nicht zu ______________.
2. Von _______ soll der Film, den Sie suchen, sein?
3. Es kommt ____________ an! Es handelt sich ________ unsere Gesundheit!
4. Er kann alle Titel der Bücher von seinem Lieblingsschriftsteller ________________.
5.Philosophie Nietzsches hat eine ___________ Bedeutung für seinen Leben.
III. Themen zum Besprechen:
1. Was glauben Sie, wer ist der berühmteste Mensch der Welt?
2. Ist es genau so, dass alles, was man empfinden oder entdecken kann, ist schon mals gewesen?
3. Können Sie sagen, dass ihre Generation kriegablehnend ist?
4. Gilt noch heute die Auffassung über kleinbürgerliche und grossbürgerliche Neurosen?
5. Ist Nostalgie eine Schwäche oder eine Stärke?
I.
1. Ich bin sehr müde. Ich kann nicht weiter.
2. Wer schuldert, wird keine gute Note erhalten.
3. Wir denken unbedingt aus, wie diesem Problem beizukommen.
4. Ich muss den Bericht nachsehen, bevor ich den abgebe.
5. Unser Fernseher scheint kaputt gegangen: das Bild flimmert.
II.
1. machen
2. wem
3. drauf; um
4. aufzählen
5. tiefe
Wörterverzeichnis
abbilden изображать, представлять; отражать, воспроизводить
Abendmahl, das причастие
Abendmahlzeit, die
Aberglaube, der
abgeben отдавать; вручать; сдавать; передавать; вверять; сообщать, выражать
Abgeordneter, der депутат
ablehnen отклонять, не принимать; отказываться; отвергать
abräumen убирать
Absägung, die
abscheulich отвратительный, мерзкий; ужасно, невообразимо
Absetzung, die
abtun отмахиваться; разделаться
Abwehr, die
allzuviel слишком много
amüsant занятный, занимательный
anbrechen открывать; наступать
Andeutung, die
aneinandergeraten подраться; сойтись в рукопашную
anerkennen признавать; ценить
anheimelnd знакомый; родной; близкий; уютный
ängstlich боязливый, трусливый; пугливый; испуганный
anheben поднимать; повышать; выделять
Anklang, der
ankommen
ansagen объявлять
Anschauung, die
Arbeitsgelegenheit, die
Assessorexamen, das <-s, -
aufatmen вздыхать; делать глубокий вдох; облегченно вздыхать; вздохнуть свободно
aufbauen строить, сооружать; восстанавливать, создавать
aufbewahren хранить, сберегать, сохранять
aufblitzen блеснуть, сверкнуть, промелькнуть; проблеск, вспышка
auffallen бросаться в глаза; выделяться, быть заметным; привлекать (обращать на себя) внимание
Auffassung, die понимание, восприятие мнение, точка зрения
aufgeklärt свободный от предрассудков и суеверий, образованный, просвещенный
ausgepowert обедневший
aufgeregt взволнованный; возбужденный
aufhören прекращаться, переставать; (за)кончиться
auflehnen sich
aufmarsch выступление
aufmucken протестовать; поднимать восстание, мятеж, бунт; восставать, бунтовать; оказывать сопротивление; противодействовать
Aufregung, die
aufrüsten вооружать; наращивать вооружение
aufsagen читать [рассказывать] наизусть
aufschlagen разбить, разбивать
aufschließen отпирать, открывать
aufstehen
auftreten выступать; возникать; появляться
aufzählen перечислять
auslaufen течь, вытекать
auspressen выжимать, отжимать
ausradieren стирать; уничтожать
ausstoßen испускать, извергать; выкрикивать
Ausschuss, der комитет, комиссия; производственный брак
auswärts снаружи
auswirken оказывать влияние; сказываться, отражаться
auswischen стирать; вытирать, протирать; убежать, улизнуть
Bademantel, der
Bademeister, der сотрудник водолечебницы; дежурный по бассейну
bändigen усмирять, укрощать; дрессировать
beachtlich значительный, важный
beäugen осматривать, озирать
Becher, der бокал, стакан
bedrängen притеснять, преследовать; угнетать
Beerdigungsinstitut, das
begnügen sich довольствоваться; ограничиться; удовлетвориться
Behörde, die
beikommen справляться, осиливать; преодолевать; приближаться, подходить; подобраться
Bekanntenkreise, der
beklatschen судачить, злословить; аплодировать
bekleckern заляпать, забрызгать
bekümmert озабоченно, опечаленно, огорченно
Belehrung, die
belfern тявкать
benehmen sich вести себя
Beratungsstelle, die
berühmt известный, знаменитый
bestenfalls в лучшем случае
besudeln
Betriebsstörung, die
betten укладывать
Bettvorleger прикроватный коврик;
bewahren (
bewerfen забрасывать, закидывать
bimmeln звонить, трезвонить
blendend блестящий, великолепный; ослепительный
blitzschnell молниеносно
blutig кровавый, окровавленный
Bö, die
Bräu, das
brüllen реветь; рычать
Brutalität, die
Buchhandlung, die
Buchmacher, der
Bursche, der парень; тип
bürsten чистить щеткой
Bürzel, der
buttern сбивать масло;
dahinscheiden уходить, умирать
dartun объяснять, излагать; показывать, доказывать
deprimiert подавленный, удрученный
dessentwillen – deswillen кто-либо; что-либо
dienen
Diner, das
Domdechant, der (Domdekan)
donnernd гремящий, громовой
drapieren драпировать
Dreck, der грязь;
drohen грозить, угрожать
Druckerschwärze, die
ducken делать покорным, сбивать спесь sich покоряться, сдаваться
dulden терпеть; допускать; попустительствовать
Dumme, der/die дурак; дура
durchsetzen перемежать, чередовать; пронизывать
düster темный; сумрачный; мрачный, угрюмый
Echtheit, die
eifersüchtig ревнивый
eigentümlich своеобразный, странный, особенный
einhämmern
eilfertig поспешно, расторопно, торопливо
einkalkulieren предусмотреть заранее
einleben свыкаться с
einlegen вкладывать, помещать; вставлять
einleiten начинать, заводить; предварять, открывать; вводить
einmalig единственный в своем роде; неповторимый, исключительный, уникальный
einziehen втягивать, вдыхать
empfehlen рекомендовать; советовать
empor вверх, кверху
entehren опозорить, обесчестить
entgegenfahren ехать навстречу
entmutigen лишать мужества; заставлять пасть духом
entspringen
entwerten обесценивать; снижать стоимость; sich обесцениваться
entwichen вытекать, улетучиваться; исчезать, убегать, скрываться
ergeben sich оказываться; возникать; порождать; осуществляться
Erkenntnis, das
erklimmen взбираться, влезать;
erlösen избавлять
Erlösung, die
ernsthaft серьезно, всерьез, на самом деле
Erschlaffung, die слабость; расслабление; вялость; дряблость
erziehen воспитывать
etlich кое-что, некоторый, несколько
erden
ergreifen хватать, схватить
exekutieren исполнять, выполнять
fade безвкусный; пресный; скучный, неинтересный, пустой
Falte, die <-n> складка; изгиб; морщина
falten складывать, сгибать
fassen охватывать; выражать, формулировать; понимать, постигать
faul ленивый
feig трусливый, малодушный
Feuerwehrschlauch, der
Fibel, die азбука, букварь; учебник для начинающих
Fixigkeit, die быстрота, ловкость, проворство
flau слабый, вялый, истощенный; легкий; пустой; безвкусный
Fleck, der пятно
flegelhaft невежливый, грубый, невоспитанный
Fliegerbombe, die
flimmern сверкать, мерцать; мелькать, бликовать; рябить, пестрить, мигать
flirren мерцать, сверкать, мелькать
Flugzeugführer, der летчик
Folgerung, die
freudig радостный
fröhlich беззаботно, беспечно
frönen
fugenlos бесшовный
führen обладать; иметь при себе
Fülle, die изобилие, избыток, полнота, разнообразие
furchteinflößend наводящий ужас, ужасный
Gebärde, die
gebärden sich вести себя
Gedankengang, der
gedrillt вымуштрованный
gefällig приятный, располагающий к себе, привлекательный
Gegend, die местность, край
Gegenstand, der
gegenständlich предметный, овеществленный; конкретный
Gegner, der противник, соперник
Gehilfe, der
Geilheit, die
Geisteshaltung, die <-, -en> Настрой; умонастроение
Geistesverfassung, die
Geistlosigkeit, die
Geltung, die значимость; ценность; значение; действие, действенность
gemäßigt умеренный; сдержанный
Gemetzel, das
Geriesel, das
geronnen
gerüffelt отчитанный от rüffeln
Geschmackvoll
Gesichtskreis, der
Gesinnung, die <-, -en> убеждения, взгляды; образ мыслей
gespalten расколотый, разделенный; разобщенный
Geschwätz, das болтовня; сплетня
getrost спокойный; уверенный
Getümmel, das
geübt опытный, натренированный
Gewirr, das спутанный моток, клубок; путаница, хаос; суматоха
Gewohnheit, die
geziert манерный; деланный; напыщенный
Gitterstab,
glätten разглаживать, распрямлять; усмирять; sich распрямляться; успокаиваться
gleiten скользить
grade (gerade) (прямо) сейчас, в этот [данный] момент
Grenzwache, die
grinsen ухмыляться
Großaufnahme, die съемка крупным планом, крупный план
Größenwahnsinnig
Grundpfeiler, der
Güte, die <-> доброта; (хорошее) качество; доброкачественность; добротность
gütig добросердечный, благосклонный
haardünn тонкий как волос; толщиной в волос
Handbreit, die
handhaben обращаться, управляться с
Handwerk, das <-e> ремесло, профессия
hätscheln ласкать; баловать, выделять; лелеять
heftig интенсивный; резкий; вспыльчивый, несдержанный
Heilsarmee, die Армия спасения (
heiter радостный, веселый; ясный, безоблачный
Hellseher, der
herausinterpretieren выводить, интерпретировать, исходя из
herauskommen выходить, получаться; выражать, высказывать
herausspringen приносить
herausstellen sich оказаться, выясниться
herkommen приходить, подходить
Herrschaft, die
herrühren родиться, происходить; вытекать, выходить, исходить
herumhantieren возиться
hervorrufen вызывать, становиться причиной, повлечь
Hetze, die травля; подстрекательство; натравливание;
hetzen натравливать, провоцировать; изводить нападками; подстрекать
hinausgehen
hienieden (здесь) внизу
Hintergrund, der
hinweisen указывать, намекать
hochfahren разозлиться, прийти в бешенство
hochfahrend надменный, высокомерный, заносчивый; hochtönend высокопарный
Höchstmaß, das верхний предел
hochwohlweis (
hocken сидеть, торчать, долго находиться
Hoffnungslosigkeit, die
Hohepriester, der
honorieren платить гонорар; награждать, вознаграждать
horchen прислушиваться; слушаться
Horde, die
Hort, der
Hütchen
immerdar
ingrimmig злобный, ожесточенный
Inserat, das
Intensität, die сила, интенсивность
irr(e) помешанный, безумный; странный, непонятный, непредсказуемый
Jahrgang, der
jucken чесаться, зудеть
Jude, der еврей
Junggeselle, der
Kalb, das
Kanzel, die (церковная) кафедра; трибуна
Kartoffelkloß, der
Käseglocke, die
keuchen задыхаться, пыхтеть
knallen слепить; стрелять, палить; щелкать
knebeln затыкать рот
Knopfloch, das
Konzession, die концессия
Krach, der крах
Kräfteverteilung, die расстановка сил
Krampf, der
Krebs, der
Kreisel, der рабочее колесо; волчок, юла
kriegen получать; получить
Krümel, der крошка
kullern катиться; вращать
kuschen сидеть тихо, не пикнуть; ложиться
labern болтать чепуху, нести чушь; болтать о пустяках
lächeln улыбаться; усмехаться
laden грузить, нагружать
Lage, die
Laie, der
Laken, das <-s, -> простыня
landesüblich (обще)принятый в (данной) стране, традиционный
Landsmann,
lästern злословить, сплетничать, клеветать, порочить
Latschen, der <-s, ->
lauter
lediglich исключительно, (всего) лишь, разве что, только
Leerlauf, der
Lehre, die учение, доктрина; теория; обучение
lehrreich поучительный, содержательный, образовательный
Leisten, der обувная колодка
Leitartikel, der
lenken управлять, руководить, управлять
Lob, das
lobpreisen восхвалять
lochen пробивать, буравить, компостировать, перфорировать
losgelöst оторванный; в отрыве
Lunge, die
malträtieren плохо обращаться
mangelhaft недостаточный; неудовлетворительный, несовершенный
Manschette, die
maßlos чрезмерный, безграничный; необузданный
Mehrheitsbeschluss, der
messen (
missbrauchen злоупотреблять; использовать в преступных целях
misslingen —
Misthaufen, der
mitansehen наблюдать
mitmachen принимать участие, участвовать
Mittelstand, der средний слой
modulieren модулировать; видоизменять
Muckertum, das
musterhaft образцовый; совершенный
Nachahmung, die
nachdenklich задумчивый, вдумчивый
nachdichten делать свободный перевод
nachfühlen сочувствовать, сопереживать; создавать (
nachlesen читать, перечитывать
nachmachen
Nachschlagewerk, das
nachsehen смотреть, проверять; (пере)проверять;
nahebringen сблизить
namenlos безымянный; неизвестный; очень, чрезвычайно
neuerdings недавно, с недавних пор
Neuheit, die новизна; новинка; новшество
niederbügeln разрушать, уничтожать; сносить; разбивать, опровергать
niedermachen убивать
niederschreiben записать
niedlich хорошенький, милый, изящный, миниатюрный; очень маленький, крошечный
nunmehr отныне, теперь, после этого
oberflächlich поверхностно, неглубоко
Obrigkeit, die
ohnehin все равно; и без того, и так уж
ohrfeigen
peinlich мучительный, неловкий; педантичный
Pfaffe, der церковник, поп
Pinselei, die
plakatieren заявлять во всеуслышание; трубить
Plumpheit, die
Pogrom, der/das
pregnant точный, выразительный
Prediger, der проповедник
projizieren проецировать, переносить
prügeln бить, колотить
Putsch, der
quillen
Radau, der
rank гибкий; стройный; rank und schlank – высокий и стройный
rascheln шелестеть, шуршать
Räucherpfanne, die
Rauschen, das шум, шелест
Realitäten
rechtens законно, справедливо
reizen раздражать, возбуждать; раздражать [злить], провоцировать
Rennbahn, die
Ressort, das
Revue, die ревю; рецензия; иллюстрированный журнал
Richtung, die
rieseln журчать; струиться, течь
ringen
rinnen течь, вытекать, струиться; сочиться
röcheln хрипеть
roh грубый, неотесанный; жестокий
Roheit, die <-> грубость, жестокость
Röhre, die
rucken двигаться рывками
rüffeln делать выговор, давать нагоняй, устраивать головомойку
sachlich по-настоящему, по сути; деловой; целесообразный; вещественный; экономный
saftig сочный, яркий
sämtlich все
sanft мягкий, нежный; легкий, едва заметный; спокойный, тихий
satt насыщенный; приличный
Sauberkeit, die чистота, аккуратность; безупречность
Schachtel, die
Schaltung, die <-, -en> соединение; переключение; схема
Schauderhaft
Scheidewand, die
schelmisch задорно, лукаво, хитро
Scherenfernrohr, das стереотруба, подзорная труба
Scherz, der
Schicksalsschlag, der
Schießgewehr, das
Schimmel, der плесень
Schlafittchen, das
schläfrig сонный; сонливый; вялый
Schlagwort, das <
schlechthin просто, совершенно, прямо-таки
Schmachtribut, der m
Schmarotzer, der
schmettern громко петь, заливаться; оглушительно звучать
schmieren мазать, марать, грязно писать
Schneiden
schubsen толкать, пихать
Schrank, der
Schreckenskabinett, das
schludern халтурить, небрежно работать
Schuldigkeit, die
Schuljunge, der школьник
Schulze, der
Schund, der ерунда, халтура; макулатура; хлам, дрянь
Schuster, der сапожник
Schützengraben, der окоп
Schutzmann, der <
Schwamm, der губка
schwanken колыхаться; качаться, шататься
Schwarzseher, der
Schweinerei, die свинарник, беспорядок; свинство, безобразие
schwenken ополаскивать; размахивать; вертеть, сворачивать
schwindlig испытывающий головокружение; головокружительный, вызывающий головокружение
Schwindsucht, die
schwören присягать, давать присягу; клясться
Seelenkunde, der
seelisch душевный, духовный
seitwärts в сторону; набок; в стороне; сбоку
selbstverständlichkeit нечто само собой разумеющееся
Selbstzweck, der
selig счастливый, радостный; блаженный
Siebensachen
sieghaft победоносно, торжествующе
siezen «выкать», обращаться на «вы»
Sittlichkeit, die
Skat, der
sorgsam бережный, заботливый; тщательный; добросовестный
Sortiment, das
spärlich скудный
spenden жертвовать; давать
sperren закрывать
Spießer, der филистер; обыватель
spötteln
Sprechstunde, die
spritzen брызгать, опрыскивать
Spruch, der девиз; мотто; изречение
sprungbereit
spucken плевать(ся); выплевывать
staatsfeindlich антигосударственный
stacheln колоть; колоться; побуждать; подстрекать
Stahlhelm, der
starren застыть, оцепенеть; торчать
Staub, der
stechen колоть, резать, жалить, кусать
stecken
stellen предоставлять
stempeln клеймить, ставить печать;
Stiefel, der сапог
stochern ковырять; ковыряться, копаться
Stöckchen, das палочка, тросточка
Sträfling, der
stramm крепкий, здоровый; строгий, суровый
Straßenecke, die
streicheln гладить, ласкать
Stuhlbein, das
stülpen накрывать; надевать
stumpfsinnig тупой, тупоумный; отупляющий
stürzen бросаться, кидаться; sich пускаться, бросаться
Sumpf, der
Tank, der
Tarock, das таро (карты)
Tat, die
tölpelhaft неуклюжий, неповоротливый, неловкий; бестолковый
totlaufen sich
trennen отделять; разделять, различать
Trieb, der
trocken сухой
Trubel, der
Turnen, das гимнастика; физкультура
überhell ослепительно яркий, сверкающий
Überlegenheit, die <
übertünchen (заново) белить, забеливать, покрывать побелкой;
überwinden преодолеть
übrigens впрочем, кстати, между прочим
Ufer, das
Ulk, der
Umfall, der
umstürzen опрокинуть
Umzug, der
Unannehmlichkeit, die
unanständig непристойный; неприличный; пошлый
unentwegt непрерывный, неуклонный, постоянный, неутомимый, неустанный
Unfug, der
ungeheur громадный, колоссальный; чудовищный
unmittelbar непосредственный, лишенный посредников, прямой;
Unrast, die нервозность, беспокойство, неугомонность
unsäglich плохой, дурной, неудачный, глупый, дурацкий, нелепый; несказанный, неописуемый, невыразимый
unsereinen
Unsinn, der абсурд, бессмыслица; чушь, вздор, ерунда
unübersichtlich необозримый, труднообозреваемый; неясный, непонятный
unverwüstlich несокрушимый, прочный
unwahrhaftig ненастоящий, ложный; неправдоподобный
Unzufriedenheit, die
vage неопределенный, неясный, расплывчатый; шаткий, смутный
veranlassen побуждать, вынуждать; давать повод; быть причиной; вызвать, повлечь за собой
verbarrikadieren забаррикодировать, загораживать sich забаррикадироваться
verbreiten распространять, разносить, рассеивать
verdammt про2клятый; прокл
Verdauung, die
verderben портить, отравлять
Vereinsmeierei, die
verfahren sich проехать (мимо); уехать на неправильную станцию; потеряться, сбиться с пути
verfassungstreu верный конституции
verflüchtigen sich испаряться, улетучиваться, рассеиваться, исчезать
vergeblich тщетный, напрасный
vergiften отравлять, наносить вред; загрязнять
verhelfen содействовать, способствовать; обеспечивать
verhetzen
verklausulieren оговаривать, обусловливать
verkünden провозглашать, объявлять, возвещать
verlegen издавать; укладывать, прокладывать
verleugnen отрицать; отрекаться, отказываться
vermählen
versagen оказаться несостоятельным; переставать действовать; отказывать [отказываться служить]; давать осечку
versäumen упустить, пропустить; пренебрегать; прогуливать
versetzen переставлять, перемещать, смещать
verseuchen заражать, загрязнять, отравлять
Verständnislosigkeit, die
verstellen sich притворяться; сбиться, измениться
versuchen пытаться, пробовать; покушаться; искушать
verteidigen защищать, оборонять; обосновывать, аргументировать
verteilen распределять, разделить
vertraut близкий, хорошо знакомый, легко узнаваемый
vertrödeln терять
Verwechslung, die
verwenden использовать, употреблять; sich просить
verwerfen отвергать
Verwestlichung, die уподобление Западу
Verworfenheit, die
verzeichnen неправильно нарисовать, сделать ошибку
verzweifeln
Vokabularium, das жаргон; профессиональный словарь
Völkerschaft, die
vollendet совершенный; безупречный; превосходно
Vorahnung, die
Vorbehalt, der
Vorbedingung, die
vorbildlich примерный, образцовый
Vorhalle, die
vorkommen
vormachen обманывать, дурачить;
Vorspann, der
Vorstadium, das
Wahn, der
Wahnsinn, der безумие; помешательство, сумасшествие
Wappen, das
watscheln ходить вперевалку, вразвалочку; переваливаться с боку на бок
Weib, das
weich мягкий, добрый, нежный, кроткий
Weihe, die освящение, обряд освящения; таинство (
Weisheit, die
weiterkönnen
Weiterzahlung, die продолжение выплаты
Wickelkind, das
Widerstand, der
widerwärtig ужасный, неприятный, противный, отвратительный, мерзкий, скверный
Wink, der
wirr
Woge, die волна
Wonne, die
würdigen ценить, оценивать; отдавать должное; оценить по достоинству
zacken вырезать, делать (оставлять) зазубрины
zeitweise время от времени; эпизодически; порой
Zeitumstände,
Zeitungsleute,
Zeitungspapier, das газетная бумага
zelebrieren торжественно исполнять, совершаться; праздновать
Zelle, die
Zentrumsherrschaft, die централизованная власть; центральная власть
zerwehen развеивать, рассеять
Zimmermann, der
Zimt, der
zittern дрожать; трястись; вибрировать
Zollbeamte, der/die таможенник, служащий таможни
Zucht,
Zuchthausstrafe, die
Zuckung, die вздрагивание, подергивание
Zuhause, das
zujubeln
zulässig допустимый, возможный
Zündloch, das
zurücksehnen sich
zurückziehen
zusammenreißen овладеть собой, брать себя в руки
zusammenrollen свертывать, скатывать (в трубку); завернуть
zusammensetzen собирать, составлять; соединять, связывать, сращивать; объединять; сплавлять
zustopfen затыкать; закупоривать, закрывать
zuziehen привлекать; прибавлять; навлекать
zweifellos без сомнения